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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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uns angefreundet und dann hab ich sie gefragt, ob ich für ein paar Tage zu ihnen kommen kann.«
    »Die Reportage hast du dir aber selber in Auftrag gegeben, der ›Corriere‹ oder die ›Repubblica‹ haben dich ja wohl kaum danach gefragt.«
    »Herrgottnochmal, Papa! Musst du denn immer alles, was ich mache, auf den Broterwerb reduzieren?«
    Jajaja, es stimmte. Er hatte recht. Ich lasse keine Gelegenheit aus, meinem Sohn seine journalistischen Ambitionen austreiben zu wollen, obwohl ich seine Einfälle und vor allem auch die Entschiedenheit, mit der er sie umsetzt, eigentlich immer sehr geschätzt habe.
    Auch diese Geschichte mit den Roma-Ferien: Wenn ihr denkt, die Idee, Mariä-Himmelfahrt in einem Roma-Camp zu verbringen, um live aus deren Leben dort zu berichten, würde mir nicht gefallen, dann täuscht ihr euch. Sie gefällt mir sogar sehr. Ich finde, sie hat Biss und sie spricht für eine Intelligenz, die sich weigert, die Dinge einfach nur nach dem Hörensagen zu beurteilen. Eine Zeitung, in der ich einen solchen Artikel lesen könnte, würde ich mir sogar ausgesprochen gerne kaufen.
    Ich müsste also definitiv stolz auf einen solchen Sohn sein.
    Bin ich ja auch, keine Frage. Nur seine intellektuelle Aufrichtigkeit geht mir auf den Senkel. Meine Bewunderung für ihn raubt mir den letzten Nerv.
    Ich hasse seine verschwendete Arbeit, die niemand kauft.
    Die Internetseiten, denen er seine wunderbar originellen und wertvollen Artikel schenkt, widern mich an.
    Ich wünsche mir so sehr, dass er bekäme, was er verdient, weil seine Mutter und ich ihm immer versichert haben, dass Fleiß und Ausdauer irgendwann Früchte tragen. Er hat uns geglaubt, hat uns beim Wort genommen. Und jetzt? Ich kann das Gesagte nicht mehr zurücknehmen. Ich hätte ihn nicht erziehen dürfen, denke ich manchmal. Ganz im Ernst.
    Jedes Mal, wenn ich mir mitansehen muss, wie er sich eine neue Arbeit erfindet und sie mit einem Lächeln auf den Lippen bis zum Schluss durchzieht, ohne dass sie sich rechnet, überkommt mich eine solche Frustration, dass ich nicht anders kann, als sie genau an ihm abzuladen, der es am wenigsten verdient hat. Ich kann einfach nicht aus meiner Haut in solchen Momenten. Und stehe mir selbst im Weg. Statt ihn meine Begeisterung spüren zu lassen, demotiviere ich ihn letztendlich total:
    »Herrgott, Alfre’, du reißt dir mal wieder beide Beine aus und lässt bei der ganzen Aktion Federn! Wozu das alles?«
    »Bitte, Papa. Fang nicht immer wieder von vorne an.«
    »Na dann lass uns zur Abwechslung doch mal Folgendes ausprobieren: ich verspreche, dass ich nicht wieder von vorne anfange, und du hackst nicht mehr auf mir rum, nur weil ich deiner Großmutter eine Flasche Whiskey mitbringen will.«
    Es folgte ein kompromissfreudiges Schweigen, und wir setzten uns wieder in Bewegung.
    Alagia konnte sich ihre Anmerkung, meine Idee komme ihr ›definitiv einen Hauch zu kitschig‹ vor, partout nicht verkneifen, was mir als Ausdruck ihrer Wertschätzung schon wieder ziemlich gereicht hat (zumal sie sich wahnsinnig kultiviert dabei vorgekommen sein muss). Was mich an ihrem Gehabe jedoch am allermeisten aufgebracht hat, war, dass sie eigens stehen blieb, um mir diese Perle der Weisheit um die Ohren zu hauen.
    Einfach stehen bleiben, um einem Gedanken Nachdruck zu verleihen, ist eine Untugend, die ich noch nie leiden konnte (zumal Alf und ich dann auch noch auf sie warten mussten ) . Ach was, von wegen ›nicht leiden können‹: Stehen bleiben beim Reden hasse ich wie die Pest!
    Stell dir das doch mal ganz plastisch vor, dann verstehst du, warum ich mich so aufrege!
    Also: Du gehst neben jemandem her. Ihr redet über dies und das (na gut, sagen wir ruhig, wie’s ist: meistens hörst du dir lustlos irgendwelche Belanglosigkeiten an). Irgendwann merkst du dann, dass der Labersack neben dir nicht mehr da ist. Weil du ihn seit drei, vier Metern abgehängt hast. Und jetzt kommt’s: Weißt du, was das Beste ist? Der hat das nicht mal gemerkt und quatscht einfach unbeirrt weiter.
    Jetzt hast du zwei Möglichkeiten: Entweder bleibst du stehen und wartest darauf, dass er zu dir aufschließt (wobei du auch Pech haben kannst, weil er automatisch auch stehen bleibt). Oder du gehst zurück, wodurch du schlagartig die allgemeine Aufmerksamkeit auf dich ziehst (immerhin bist du ja derjenige, der auf einen irre wirkenden Autisten zueilt).
    Und lass dir zum Abschluss noch eines gesagt sein: Wenn du dann wieder vor dem Labersack stehst und

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