Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
Vom Netzwerk:
an‹, wenn ihr das gar nicht vorhabt? Du bist banal. LmaA
    › LmaA ?‹, hab ich überlegt; und gleich darauf: ›Ja klar, natürlich.‹
    Unvermittelt drückte ich auf die Taste ›Zurück zum Hauptmenü‹ und schob mir das Handy, ungeschickt wie zu Zeiten, als ich im UPIM -Kaufhaus Kugelschreiber klaute, in die Tasche zurück.
    »Was hast du denn, Vince’?«, fragte Alessandra Persiano und näherte sich mir, was meine Schweißproduktion nochmal gehörig ankurbelte.
    »Nichts, vielleicht ist es ja nur, na ja …«, antwortete ich völlig verblüfft darüber, dass sie mein schlechtes Gewissen offenbar für Schüchternheit hielt.
    »Na so was«, unterbrach sie mich und streichelte mir mütterlich über die Stirn, »du schwitzt ja.«
    ›Wenn du wüsstest, warum‹, dachte ich und zog die Schultern ein.
    Die geflügelte Schlange von Leibwächter ganz in meiner Nähe kringelte sich vor Lachen.
    ›Dir macht das also auch noch Spaß, wenn du dich einmischst, du dreckiges Miststück?‹, schickte ich an seine Adresse. (Immer dann, wenn ich meine Meinung über ihn ändern will, muss ich am Ende doch wieder alles revidieren, da hilft nichts.)
    »Och, mein Ärmster«, sagte Alessandra Persiano im Krankenschwesternmodus (einer meiner liebsten), »beruhige dich. Es ist ja nichts passiert.«
    Soo zärtlich war sie schon lange nicht mehr zu mir gewesen.
    »Es ist … nichts passiert? Weil, mir kam das so vor, als …«
    »Schhhh.«
    Sie legte mir die linke Fingerkuppe auf die Lippen.
    Ich hielt still, mit dem Siegel ihres wunderbar zarten Fingers auf den Lippen. Erstaunt, dass ich davongekommen war, ohne praktisch das Geringste zu unternehmen, und verblüfft, wie die in mir herangereifte Überzeugung vom unmittelbar bevorstehenden Ende unserer Beziehung sich plötzlich in Wohlgefallen auflöste.
    Alessandra Persiano schmachtete mich jetzt dermaßen hartnäckig an, dass es mir auf offener Straße beinahe unangenehm war.
    In Nahaufnahme macht mich ihre Schönheit fertig wie nichts sonst auf der Welt. Und falls es euch interessiert: Das ist kein angenehmes Gefühl. Schon seit einiger Zeit kann ich es nicht mehr so gut haben, wenn meine Widerstandskräfte durch die Liebe herabgesetzt werden. Wenn man sich angesichts zweier Augen, eines liebreizenden Lächelns oder der undefinierbaren Rundung eines Busens so ekelhaft verletzlich und zu jedem Kompromiss bereit fühlt.
    Vielleicht nehme ich das so schwer, weil ich nicht mehr vierzig bin (nicht mal mehr ansatzweise ), aber ich bin der festen Überzeugung, dass diese Art Ohnmacht in jungen Jahren, wenn man das Leben noch vor sich hat, eher erträglich ist als jetzt, wo ich schon einige Jährchen auf dem Buckel habe. Weil ich diese Art von Glück nicht mehr so gut aushalte. In der Liebe muss man für das Glück bezahlen; das ist nicht nur Geschwätz. Man kriegt es nicht einfach so geschenkt. (Genau genommen gibt es überhaupt kein Glück umsonst. Glückszustände sind richtig teuer, und wenn du ein Darlehen darauf aufnimmst, ist es sogar noch schlimmer).
    Und hierbei wollen wir es besser bewenden lassen.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie gut es dir steht, wenn du dich erschrickst«, schnurrte Alessandra Persiano und streifte mit ihren Lippen über meine.
    Darauf durchlief mich eine Welle der Begeisterung (ich spürte, wie sie sich vom Rücken her ausbreitete, eine Art blitzschnelles Aufflammen, das kommt und gleich wieder nachlässt: schon als Junge war das bei mir so), und sofort fand ich zu meinem Humor zurück. Wenn ich zufrieden bin, bekomme ich nämlich sofort Lust, einen Witz zu machen.
    »Weißt du«, sagte ich, »so ist das bei uns abgehalfterten Typen. Wir brauchen eben besondere emotionale Umstände, um uns ästhetisch aufzuwerten: Verlegenheit, Schüchternheit, Enttäuschung, Scheitern, Krankheit, Trauer … kurz: Wir müssen ein bisschen Mitleid erregen, um diese Art von Reiz zu entfalten, kannst du mir folgen?«
    Alessandra hielt die Augen halb geschlossen, während sie zum Zeichen der Verneinung immerzu den Kopf schüttelte (das ist ihre Art der Anteilnahme an dem Stuss, den ich verzapfe), dann kommentierte sie mit einem Satz, den ich mir in der letzten Zeit ein bisschen zu oft anhören muss:
    »Du bist echt ein Idiot.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Sie packte mich an meiner Krawatte und zog mich zu sich heran, anmaßend wie ein Straßenschläger, der mir eine reinhauen will.
    Manche Küsse gibt man sich, damit man sich daran erinnert, wie sie einmal waren. Um rauszufinden,

Weitere Kostenlose Bücher