Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Leute zu verteidigen.
Ich würde mich gewiss noch irgendwie rechtfertigen, wenn auf dem Monitor, der den Eingang zeigt, nicht eine dramatisch bekannte Figur in Begleitung eines Assistenten mit Fernsehkamera auftauchen würde.
Im selben Augenblick, in dem ich sie erkenne, gerät, ich schwöre es, mein Herz aus dem Takt; jedenfalls wende ich mich erschrocken Ingenieur Romolo Sesti Orfeo zu, wie um ihn zu fragen, ob das vielleicht ›das Fernsehen‹ war, das er sich erhofft hat.
Er schaut auf den Bildschirm, dann zu mir.
» Mary Stracqualurso? «, sagt er entsetzt.
Ein Name, den wir alle, wirklich alle, kennen.
Es folgt ein solidarisches Schweigen.
Ingenieur Romolo Sesti Orfeo greift mit einer Mischung aus offenkundiger Verzweiflung und totaler Resignation wieder zur Fernbedienung und aktiviert den Ton aus dem Eingangsbereich.
Mary hat unterdessen die Verhandlungen mit Mulder und Scully über die Drehbedingungen abgeschlossen und hält bereits das Mikrofon in der Hand. Der Kameramann stellt sich in gebührendem Abstand auf, filmt die Monitore um sich herum ab und zoomt dann seine Chefin in den Vordergrund.
»Gutten Tak«, steigt diese sofort ein.
Alle vier schauen wir uns ungläubig an.
Es ist ein Wunder, dass ich nicht in lautes Gelächter ausbreche.
SMS in a bottle
Der Typ an der Rezeption war offenbar davon überzeugt, die Diskretion eines Hotelbetreibers von Welt aufzubieten, er sah uns nämlich kein einziges Mal ins Gesicht, als wir ihm unsere Dokumente hinreichten, ich den Führerschein, Alessandra Persiano ihren Personalausweis.
Hinter ihrer superschicken Brille (Modell Passion Violet Orange ) von Alain Mikli warf Ale mir einen schrägen Blick zu, der sagte: ›Hast du den gesehen.‹
»Er hat bestimmt seine Gewissensgründe«, kommentierte ich laut.
Alessandra Persiano kicherte leise durch die Nase.
Der Rezeptionist hielt kurz inne, dann machte er weiter, vervollständigte die Abfolge serieller Gesten, die bei der Prozedur der Zimmerzuweisung vorgesehen sind, und händigte uns schließlich den elektronischen Schlüssel aus (wiederum ohne uns dabei anzusehen). Mit dem Hinweis, dass die ›card‹ (genau so drückte er sich aus, mit kaum hörbarem ›r‹, vo allem) auch den Strom freischalte, weshalb wir nicht vergessen sollten, sie in das dafür vorhergesehene Behältnis zu stecken.
Solche falsch verstandene Diskretion ist mir bei Hotelbetreibern schon öfter untergekommen. Als ob irgendwo geschrieben steht, dass Paare ohne Gepäck, die ein Zimmer haben wollen, zwangsläufig heimlich unterwegs sind. Vielleicht ist es ja aber gar nicht das fehlende Gepäck, sondern die Tageszeit, die den Angestellten suspekt ist, wer weiß. Auf alle Fälle stehen alle Rezeptionisten überall auf der Welt an den Empfangstresen und tun mordsmäßig unbeteiligt, wenn du in einer Konstellation wie unserer eincheckst. Weshalb du am Ende mit eingezogenem Kopf zum Aufzug hastest (möglicherweise mit deiner genauso peinlich berührten Ehefrau im Schlepptau, die eine schnellere Gangart einlegt und dich fragt, weshalb du so rennst).
Falls ihr euch jetzt fragt, ob ich mir nicht ein bisschen blöd vorgekommen bin, als ich auf Alessandras Vorschlag einging, für ein Schäferstündchen ins Hotel zu gehen, obwohl wir uns problemlos auch nach Hause hätten zurückziehen können (und, wie man bei uns sagt, gespart und trotzdem was hergemacht hätten): ja, ich bin mir blöd vorgekommen, und wie! Auch weil das Zimmer so was um die 190 Euro kostete (Frühstück inklusive) und so eins mit Satellitenfernsehen war, das dich namentlich begrüßt, wenn du reinkommst, und wo auf dem Nachttischchen ein nachgemachter Montblanc-Kugelschreiber bereitliegt, wo du gleich, wenn du ihn siehst, denkst: ›Den nehm ich später mit.‹
Aber Alessandra Persiano war plötzlich die Schnapsidee gekommen, unsere Wiederannäherung auf unkonventionelle Weise zu besiegeln (unglaublich, welchen Wert Frauen darauf legen, ihr Liebesleben romanhaft auszuschmücken), weshalb ich den Teufel tat zu widersprechen. Außerdem machen mich diese Nullachtfünfzehn-Franchise-Hotels mit ihrem technischen Luxus und den Konferenzsälen, wo sie immer solche Meetings abhalten wie Konsequenzen des Passivrauchens auf Erkrankungen des Mittelohrs oder Die Rückgewinnung des schlecht beratenen Kunden: welche Investitionsszenarien gibt es? – jedenfalls macht mich diese Art von Hotels nach einer Weile immer ziemlich nervös. Weil du dich darin beim besten Willen nicht
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