Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
Ich hatte ihn noch nie ohne die Kette gesehen. »Wie hieß sie?«
»Madeleine.«
Ich wiederholte in Gedanken ihren Namen und versuchte mir ein Gesicht dazu vorzustellen. Sicher hatte sie Wills dunkelbraunes Haar und seine grünen Augen gehabt. Sie musste genauso schön gewesen sein wie er. »Warum glaubst du, dass sie tot ist?«
»Ich bin von zu Hause weggegangen, als ich übermütig wurde und beschloss, Jagd auf die Dämonischen zu machen. Als ich nach zehn Jahren zurückgekehrt bin, war sie nicht mehr da. Nathaniel hat mich bei sich aufgenommen. Er ist immer wie ein großer Bruder für mich gewesen. Jedenfalls habe ich seitdem keine Spur von ihr gesehen. Wahrscheinlich wurde sie von einem anderen Reaper getötet.«
Seine Worte rührten mich tief. Die Vorstellung, eines Tages nach Hause zu kommen und meine Mom wäre für alle Zeiten fort, war kaum zu ertragen. Meine Augen brannten. »Das tut mir so leid.«
»Es ist okay, wirklich. Ich hatte viele Jahre Zeit, um darüber hinwegzukommen. Viele Leute, die ich geliebt habe, sind im Laufe der Jahrhunderte gestorben. So ist die Welt nun mal, in der wir leben. Düster, rau und gefährlich.«
»Kennst du deinen Vater?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß gar nichts über ihn. Meine Mutter hat nie von ihm erzählt. Ich glaube, sie hat ihn geliebt, aber sie war nicht stolz darauf oder so. Ich glaube, ihre Beziehung hat nicht lange gehalten.«
Ich lehnte mich zurück und starrte ins Nichts. Gefühle regten sich tief in meinem Inneren – Unsicherheit und ein wenig Angst –, während ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
Will war ein guter Reaper, der an meiner Seite gegen die bösen Reaper kämpfte. Wenn er nur durch seine Herkunft gut geworden war, was brauchte es dann, um ihn böse werden zu lassen? Was unterschied Will wirklich von den Reapern, die ich jagte? Gab es für die dämonischen Reaper eine Chance, sich reinzuwaschen? Gab es eine Möglichkeit, dass sie friedlich an der Seite der Menschen leben konnten? Die riesigen bären- und wolfsartigen Exemplare hätten es wohl schwer, in der Gesellschaft akzeptiert zu werden – ich bezweifelte, dass irgendjemand einen von ihnen aus dem Tierheim zu sich nach Haus holen würde –, aber waren sie zu friedlicher Koexistenz in der Lage, ohne Menschen zu töten und ihre Seelen in die Hölle zu schleifen?
Er streckte die Hand aus und legte sie an meine Wange. Seine Berührung überraschte mich. »Egal was ich bin oder was in der Vergangenheit geschehen ist, ich gehöre dir, das musst du mir glauben. Ich bin dir treu ergeben. Du bedeutest mir mehr als mein eigenes Leben.«
Ich atmete aus, nachdem ich eine halbe Ewigkeit die Luft angehalten hatte. »Das ist ziemlich heftig, Will.«
Sein Blick wurde leidenschaftlicher, und er streichelte sanft meinen Hals. »Es ist eine Bürde, die ich gerne trage.«
Seine Hand verweilte eine Weile an meinem Hals, bis er sie schließlich zurückzog und den Blick abwandte. Am liebsten hätte ich ihn festgehalten, aber ich unterdrückte mein Verlangen. Sein Gesicht wirkte so verwundbar, und mir wurde klar, wie sehr ich ihn mochte. Ich konnte mich nur daran erinnern, dass ich ihn seit kurzem kannte, aber ich wusste auch, dass er schon seit Jahrhunderten mein Freund war. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, aber ich fühlte es in meinem Inneren. Meine Augen mochten nicht mehr an den Anblick seines Gesichts gewöhnt sein, aber meine Seele kannte ihn besser als alles andere auf der Welt.
Als unsere Blicke sich erneut trafen, bemerkte ich ein flüchtiges Blitzen im leuchtenden Grün seiner Augen. Der Moment war schnell verflogen und kehrte auch nicht zurück, als ich blinzelte.
»Ich gehe jetzt«, sagte er und erhob sich.
Ich wollte aufspringen und ihn zurück aufs Bett ziehen, aber ich tat es nicht. »Sehen wir uns morgen?«
»Na klar«, versprach er lächelnd. »Hab einen schönen Tag mit Kate. Wir sehen uns dann auf der Party.«
»Okay«, sagte ich. »Gute Nacht. Danke, dass du mir heute Abend das Leben gerettet hast.«
»Du hast meins auch gerettet. Du warst phantastisch.«
»Danke.« Meine Wangen wurden heiß.
»Du kommst zu mir zurück.« Sein Lächeln wurde strahlender – dieses wahnsinnig schöne Lächeln –, und dann war er verschwunden.
NEUNZEHN
M ittlerweile war es Oktober geworden, und wir hatten seit Wochen kaum etwas von der dunklen Seite gehört. Bastians Schergen hielten sich verborgen, doch das führte nur dazu, dass ich mich noch mehr
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