Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
gewöhnt hatten, sah ich, dass sich auch hier unten lauter Kunstwerke befanden. Unbezahlbar aussehende Bilder hingen an den Wänden, und Statuen auf Marmorsockeln standen herum. Direkt hinter einem plüschigen Ecksofa stand eine große dunkle Kiste auf einem niedrigen, mit rotem Samt bedeckten Podest.
Will ging sofort darauf zu. Als ich ihm folgte, war ich von der Größe der Kiste erstaunt. Sie war etwa zwei Meter lang und jeweils einen Meter breit und hoch. Trotz des Schummerlichts konnte ich sehen, wie kunstvoll gearbeitet die Truhe war. Sie schien aus Sandstein gefertigt zu sein, mit goldenen Verzierungen und eingelassenen Edelsteinen. Ich erkannte das Siegel des Azrael auf dem Deckel, umrahmt von seltsamen Zeichnungen, Gravuren und weiteren Edelsteinen. Konzentriert studierte Will die Zeichnungen.
»Was ist das?«, hauchte ich.
»Ein Sarkophag.«
Ich riss erstaunt die Augen auf. Konnte es so einfach sein? War der Enshi in dem Ding?
»Wer sind Sie?«, fragte eine unbekannte Stimme. Das Licht ging an, und einen Moment lang war ich wie geblendet.
Ich schrie auf und wirbelte herum. Furchtlos baute Will sich vor mir auf. Wir saßen in der Falle. Ich würde im Gefängnis landen. Meine Mom würde mich umbringen. Ich war …
»Was tun Sie in meinem Haus?« Ein Mann in einem sehr eleganten Anzug stand an der Treppe. Offensichtlich der Eigentümer der Villa. Es überraschte mich, dass seine Stimme so aggressiv klang. Warum lief er nicht zum Telefon und rief die Polizei?
»Wir nehmen das hier mit«, sagte Will mit eisiger Stimme.
In diesem Augenblick spürte ich jene vertraute, beängstigende Energie, die meine Härchen an den Unterarmen zu Berge stehen ließ, und ich erinnerte mich daran, dass wir uns immer noch innerhalb des Limbus befanden. Hatte der Mann übersinnliche Fähigkeiten?
»Ich denke, das werden Sie nicht tun«, sagte er. »Ich habe eine Menge Geld dafür bezahlt. Ich lasse nicht zu, dass Sie es mitnehmen.«
Will rief sein Schwert herbei und richtete die Spitze auf den Mann.
»Nein, Will!«, schrie ich.
»Zur Seite, Vir«, sagte er. »Du wirst mich nie besiegen. Du hast nichts gegen meine Kraft zu bieten.«
Blinzelnd sah ich zwischen Will und dem Mann hin und her. War der Hausbesitzer ein Reaper? Er wirkte so … menschlich . Andererseits wirkte Will genauso.
»Du verlässt mein Haus auf keinen Fall mit diesem Ding«, warnte der Reaper. »Wenn du nicht augenblicklich verschwindest, töte ich dich und deine kleine Freundin. Vielleicht behalte ich sie auch noch ein bisschen und fresse sie später.«
Wills Augen verengten sich zu Schlitzen. »Versuch’s doch.«
Der Reaper zeigte seine Zähne und fauchte wie ein Leopard. Er startete zum Angriff. Ich beschwor meine Schwerter herauf, die sofort mit Engelsfeuer entflammten. Will ließ seine Klinge schnell wie der Blitz durch die Luft sausen. Der Reaper packte sein Handgelenk, doch Will rammte ihm das Knie tief in die Magengrube. Der Vir krümmte sich hustend, und schon stand ich hinter ihm, beide Schwerter in der Hand, die Arme gekreuzt, um möglichst viel Kraft zu erzeugen, dann rammte ich die Klingen durch seinen Hals und enthauptete ihn mit einem einzigen Hieb. Er ging in Flammen auf und war verschwunden. Das Engelsfeuer erlosch, und der Raum lag wieder im Dunkeln.
»Das war leicht – zu leicht«, sagte ich und wischte angeekelt einen warmen Blutspritzer von meiner Stirn.
Ich spürte eine andere Macht in der Nähe, die jedoch weitaus stärker war als der Reaper, den ich gerade getötet hatte. Als ich aufblickte, sah ich einen Mann, vielmehr einen weiteren Vir, in der Tür stehen, durch die wir wenige Minuten zuvor hereingekommen waren. Sein Gesicht lag im Schatten, aber seine Silhouette zeichnete sich deutlich im Mondlicht ab.
»Ja, das war in der Tat zu einfach«, sagte der Reaper. »So viel Glück kann man gar nicht haben, nicht wahr?«
Will starrte den Reaper an, und in seinem Blick lag mehr Hass, als ich je zuvor darin gesehen hatte. Seine Kraft wuchs stetig; ich sah, wie sie sich mit seinem Zorn vereint spiralförmig erhob, wie eine todbringende Doppelhelix aus schwarzem Höllenfeuer, während seine grünen Augen funkelten und glühten. »Geir«, knurrte er.
Ich umklammerte die Griffe meiner Schwerter, von denen noch das Blut des enthaupteten Reapers tropfte, und trat Geir gegenüber. Er machte ein paar Schritte auf uns zu, bis ich unter dem rotbraunen, wilden Haarschopf sein Gesicht ausmachen konnte. Er grinste wie ein verrückter
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