Meine Seele weiß von dir
Hundespaziergänge ab.
Ben kommt fröhlich bellend auf mich zugelaufen und leckt mir zur Begrüßung die Hände, dass es nur so tropft. Er lässt erst von mir ab, als Henning nach ihm pfeift. Ich trockne meine feuchten Hände verstohlen an meinem Kleid ab.
Wenn Henning erstaunt ist, mich außerhalb meiner gewohnten Laufzeit zu treffen, zeigt er es jedenfalls nicht und ich merke lediglich an, dass ich mir noch ein bisschen die Beine vertreten will, und schließe mich ihm unaufgefordert an.
Er verhält sich überhaupt nicht ungewöhnlich. So wie er sich in den letzten Wochen auch nicht ungewöhnlich verhalten hat, wenn ich ehrlich bin. Ja, er bemerkt noch nicht einmal, dass ich beim Friseur war! Wie, verdammt, soll ich da herausfinden, ob er der H. H. ist? Ich kann ihn doch nicht einfach danach fragen und mich erkundigen, ob wir miteinander im Bett waren, ob ich mit ihm meinen Mann betrogen habe. Allein bei dem Gedanken bekomme ich ein ganz heißes Gesicht. Wir duzen uns nicht einmal!
Auf der Waldlichtung sind die Temperaturen etwas erträglicher. Dafür werde ich immer wieder von einer blutdürstigen Bremse angefallen. Egal wie schnell ich nach ihr schlage, sie entkommt mir jedes Mal. Auch mein hektisches Handwedeln, mit dem ich sie zu verscheuchen hoffe, bringt sie nicht von ihrem Plan ab. Es ist Henning, der sie schließlich erwischt und danach den Brei, in den er das Biest verwandelt hat, von meinem Oberarm wischt.
Ben schleppt einen dicken Knüppel heran, den Henning Haag fortschleudert. Der Hund schießt wie ein Pfeil hinterher und kommt kurz darauf mit einem langen, dürren Stock zurück.
„Das ist ja gar nicht das Stöckchen, das Sie geworfen haben.“
Henning nimmt es und wirft erneut. „Nein. Ben hat noch nie den Stock gebracht, den ich zuvor geworfen habe. Keine Ahnung, warum das so ist.“
Als Ben diesmal auftaucht, legt er seinem Herrchen einen kurzen Ast vor die Füße und wedelt so heftig mit dem Schwanz, dass sein ganzer Hinterleib gezwungenermaßen mitwedelt.
Wir lachen. Ich schaue den beiden eine ganze Weile bei ihrem Spielchen zu.
„Sie haben eine Katze, oder?“, fragt Henning, als wir uns schließlich auf den Rückweg machen.
„Einen Kater, den ich so gut wie nie zu Gesicht bekomme, weil er sich ständig draußen herumtreibt. Der nie das tut, was ich möchte, sich nur kraulen lässt, wenn er Lust dazu hat, und der allergrößten Wert darauf legt, sein Futter pünktlich zu bekommen.“
„Wie heißt es so schön? Ein Hund hat einen Herrn - eine Katze Dienerschaft.“
„Ja, da ist wohl was Wahres dran.“
Er tätschelt Bens Kopf. Der Hund gibt vor Wohlbehagen ein grunzendes Geräusch von sich. Wir sind beinahe schon wieder bei dem Bungalow angekommen und mir fehlt noch immer der kleinste Beweis dafür, ob Henning mein H. H. ist oder nicht.
Aber dann habe ich eine Idee : H. H. ist Maler. Ein guter sogar, soweit ich das anhand der Kohlezeichnungen, die er von Sina-Mareen gemacht hat, beurteilen kann.
Und so behaupte ich Henning Haag gegenüber, dass ich gerade einen Zeichenkurs mache und es ziemlich schwierig finde, meinen Kater so zu zeichnen, dass er auch wie mein Kater aussieht.
„Die Kursleiterin meint, es kommt bei Anfängern relativ häufig vor, dass ein Hund eher einer Katze gleicht, oder umgekehrt. Wie kann man das nur in den Griff bekommen?“
„Tja, da habe ich leider auch keinen Tipp für Sie. Ich kann zwar zeichnen - aber nur technisch. Künstlerisch sind da null Talent und keinerlei Interesse.“
Er öffnet das Gartentor. Ben flitzt hindurch und weiter bis zur Haustür. „Wenn ich ehrlich bin, es ist Jahre her, seit ich zuletzt mit der Hand gezeichnet habe. Ich erstelle sämtliche Pläne mit CAD.“
„Käd?“
„C – A – D“, präzisiert er. „Computer Aided Design, kurz: CAD. Das sind Zeichenprogramme, die das technische Zeichnen per Hand komplett abgelöst haben.“
„Aha.“
Nun bekomme ich eine begeisterte Abhandlung über CAD-Systeme im Allgemeinen und über die für Architektur und Bauwesen im Besonderen zu hören. Über grafische Darstellungen auf Bildschirmen, 3-D-Techniken, Animationen und die einfache Übermittlung von Daten, statt Baupläne in Papprollen zu versenden.
Mittlerweile kann ich ein Gähnen kaum noch unterdrücken und ich bin ganz und gar überzeugt davon, dass Henning nicht mein ehemaliger Liebhaber ist.
Vor Ungeduld beginne ich zu schwitzen. Die bleierne Luft überzieht meinen Körper mit klebrigem Schweiß, doch erst Bens
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