Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
(aus Lodi) zum Ausdruck kommt.
Ein problemloser Austausch und täglicher Warenverkehr zwischen Stadt und Land war in gewaltigen Adelsverwaltungsmaschinen wie Madrid oder Paris/Versailles praktisch unmöglich. Der Koch eines italienischen Fürsten oder gar der Fürst selbst, so Montanari, brauchte hingegen nur ein paar Schritte zu tun, und schon war er auf dem Land, um beim Bauern einzukaufen.
Die geografische Form Italiens tut ein Übriges: Die elend lange, schmale Insel sorgte dafür, dass Transporte durchs Land praktisch jede wichtige Stadt passierten. So blieben Spezialitäten gewissermaßen hängen. In kontinentalen Brocken wie Frankreich und Spanien liefen die kulinarischen Preziosen aus allen Ecken des Landes
erst am Königshof zusammen, deren Küchenchef wie die Spinne im Zentrum des logistischen Netzes saß. Auch das Nebeneinander von Küste und Gebirge ist weltweit ein seltenes Privileg. Von den Gipfeln des Apennin, dem Gebirgszug, der Italien fast auf der ganzen Länge durchzieht, bis zur Küste sind es mitunter nur ein paar Dutzend Kilometer. Selbst in früheren Jahrhunderten war diese Strecke problemlos zurückzulegen.
Klimatisch hat Italien ebenfalls seit jeher einen Riesenvorteil. Ein Land, das sich über viele Breitengrade von Norden nach Süden erstreckt, verfügt über mehr Klimazonen als ein Land, das sich quer über den Globus zieht. Von alpinem bis hin zu nordafrikanisch-aridem Klima ist in Italien alles vorhanden – dieses Privileg hat kein anderes Land Europas. Diese klimatische Ausdifferenzierung sorgt auch für Abwechslung in der Küche; von den vielen unterschiedlichen Weinen, die zwischen Mergel- und Sandsteinboden im Nordosten und Vulkanerde im Süden heranwachsen, gar nicht zu reden. Dazu kommen die vielen großen und kleinen Inseln, auf denen sich autark eigene Spezialitäten entwickeln konnten. Als Seefahrer- und Handelsnation verfügten Genueser und Venezianer außerdem früh über Spezialitäten, Kräuter und Gewürze aus anderen Teilen der Welt, die in die eigene Küche integriert wurden. Venedigs Küche konnte beispielsweise über Jahrhunderte hinweg dermaßen aus dem Vollen schöpfen, dass sich eine originäre venezianische Spezialität gar nicht so recht herausbilden konnte.
Das italienische Klima hat noch einen weiteren Vorteil – es war (und ist) exakt so angenehm, dass es nicht lebensfeindlich
ist. Italien hat keine monatelangen Winter und keine brüllendheißen Sommer. Nur wenige Menschen auf dieser Welt haben es so gut. Eine ernstzunehmende kulturgeschichtliche Theorie besagt, dass genau deswegen in Griechenland das abendländische Denken begann und im Römischen Reich fortgesetzt wurde – die Menschen hatten ganz einfach die Muße, über Gott und die Welt zu philosophieren und so nützliche Dinge wie allgemeingültige Gesetze, Verwaltungsstrukturen und Demokratie zu erfinden. Sie mussten sich keine Sorgen über Wasser und Brot machen.
Appetit bekommen? Auf zur größten Insel des Mittelmeers.
Sizilien
Die orangigsten Orangen der Welt
D er Ätna macht was her. Zunächst einmal ist er hoch, sehr hoch – höher als der höchste deutsche Berg. Außerdem ragt er unvermittelt aus der Ebene empor, was ihn noch imposanter macht. Das ist halt der Vorteil eines Vulkans gegenüber einer langweiligen Gebirgsauffaltung wie den Alpen, wo man nur eine Reihe Zacken sieht. Der Ätna sieht so perfekt aus, dass er fast künstlich wirkt, wie die Gipsmodelle in den alten japanischen Godzilla-Filmen, aus denen permanent Tomatensoße blubbert – was uns thematisch ja sehr schön wieder auf den Sinn der Reise bringt. Ich kenne keinen Berg, der auf eine ähnliche Weise seine Umgebung dominiert: Aus dem Nichts erhebt er sich auf 3323 Meter über Meereshöhe und ist aus 300 Kilometern Entfernung in jede Richtung sichtbar. Es ist, als würde in Niedersachsen plötzlich der Großglockner aufragen.
Aber das Unglaubliche am Ätna, diesem so wohlproportionierten Berg, ist sein beständiges Spucken. Schon im Altertum diente er den Navigatoren als natürliches, unübersehbares Leuchtfeuer.
Und ist hier die Pasta erfunden worden, so wie wir sie kennen? Das behaupten die Sizilianer, so wie es auch, wie wir noch sehen werden, die Neapolitaner und die Genueser für sich behaupten. Die Sizilianer können immerhin eine erstaunliche Etymologie ins Feld führen, denn die Pasta ist tief in die Volkssprache eingedrungen – ein Indiz dafür, dass die Pasta hier länger und vor allem tiefer in der Kultur
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