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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maiwald Stefan
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angewandt und ist jetzt nach Deutschland gekommen: Psychische Störungen aller Art werden an Herd und Schneidebrett behandelt. Dabei wird gemeinsam gekocht, und das tut gut. Die Küchenarbeit stärkt das Selbstbewusstsein, sorgt für soziale Interaktion, schafft eine Gegenwelt zu der tristen Wirklichkeit eines Klinikaufenthalts und regt die Sinne an; selbst schwer Depressivkranke können sich an einer gelungenen hausgemachten Pasta erfreuen, denn das Kneten von Nudelteig gilt als
besonders effektiv sowohl bei der Behandlung von Aggressionsstörungen als auch bei Depressionen. Ich bereitete also gerade nicht nur meine Nahrung selbst zu, sondern tat auch noch prophylaktisch etwas für meine geistige Gesundheit.

    Am Abend bummelten Cinzia, Marika und ich durch Lecce. Ich zog eine dünne Mehlspur hinter mir her, denn ich hatte mich ganz schön eingesaut. Wir landeten in der »Osteria degli Spiriti« , wo ich eine weitere Spezialität Apuliens kennenlernte: Ciceri mit Fava-Bohnen. Denn in Apulien und vor allem rund um Lecce wurde Pasta schon immer mit allem gekocht, was auf den wenigen Beeten heranwuchs. Legumi , also Hülsenfrüchte aller Art, eigneten sich vorzüglich als Pasta-Begleitung, und das Essen war prima. Am besten aber war Besitzer Piero. Er brachte uns vor der Pasta eine Käseplatte und erklärte uns, welchen wir zuerst und welchen wir zuletzt kosten sollten. Während der ganzen Vorspeise stand er neben uns und wollte praktisch mitessen, so lebhaft beschrieb er die verschiedenen Käsesorten, ihre Herstellung und ihre Lagerung. Er starrte jedem Bissen nach, der in unserem Rachen verschwand; er schien den ganzen Abend noch nicht gegessen zu haben und sich an unserem Mahl wie an einem Käse-Porno zu berauschen. Also ließ ich ihm aus Mitleid ein Stück Käse auf dem Teller zurück. Er lehnte ab, aber wer weiß, ob er nicht doch noch in der Küche darüber hergefallen ist.

    An meinem letzten Abend in Apulien vor der Weiterreise Richtung Sizilien aß ich in Torre Maizza, dem Schwesterhotel von Torre Coccaro, keine 500 Meter entfernt gelegen, ebenfalls eine alte Masseria. Dort kocht Vito Giannuzzi, und ich bekam als würdigen Abschluss meines Apulien-Aufenthalts eine göttliche Pasta serviert: In der Torre Maizza gab es kurze Cavatelli mit Meeresfrüchten, aber der Clou war: Das ganze Gericht war mit einer feinen, feenstaubartigen Karottencreme überzogen, die dem herben Geschmack der Frutti di Mare ihre ganze Süße entgegenwarf. Und das schmeckte einfach großartig. So wurde diese Pasta zur besten, die ich in Apulien gegessen hatte.

Pasta, Klima und Geografie
Warum schmeckt es in Italien so gut?
    D a wir gerade so tief im Süden angelangt sind, lehnen wir uns doch mal einen Augenblick zurück, tun so, als würden wir die wärmende Sonne spüren, und denken ganz fest an unser italienisches Lieblingsessen. Auch Italien-Skeptiker müssen eingestehen, dass die dortige Küche vielfältiger, reichhaltiger und interessanter ist als beispielsweise die schwedische – es sei denn, Sie mögen Surströmming , Ostseeheringe, die erst einen Monat verwesen, bevor sie in Konserven verpackt werden, wo sich der Verwesungsprozess so heftig fortsetzt, dass sich Boden und Deckel der Dose wölben. Wie schlimm riecht das? So schlimm: In Deutschland verteilte zu Weihnachten 1981 eine Mieterin im Treppenhaus Surströmming-Tunke. Ihr wurde fristlos gekündigt. Das Landgericht Köln bestätigte die Kündigung, nachdem in der mündlichen Verhandlung eine Dose Surströmming geöffnet wurde (LG Köln v. 12. Januar 1984 – 1 S 171/83, WuM 1984, Seite 55).

    Eine interessante Deutung der italienischen Küche hält Massimo Montanari aus Bologna bereit, ein Professor für mittelalterliche Geschichte und Ernährungsgeschichte (ja, so etwas gibt es in Italien). Italien war immer ein extrem föderalistisches Staatengebilde. Um genau zu sein, gibt es »Italien« erst seit schlappen sechs Generationen. Frankreich, Spanien und England waren dagegen schon seit Jahrhunderten zentralistisch organisiert. Die Zersplitterung Italiens in Dutzende Fürstentümer hatte mehrere spannende Auswirkungen. Es entstanden mehrere Winz- und Stadtstaaten, gewissermaßen Fürstenhöfe in klein. Es herrschte schon früh heftige Konkurrenz zwischen den Städten in Kunst, Kultur und eben auch Gastronomie – ganze Städte definierten sich über die vorherrschende Käsesorte, was noch heute in parmigiano (»Parmesan«, aus Parma), piacentino (aus Piacenza) oder lodigiano

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