Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Die Trattoria wirkte wie eine Männer-WG, was sie ja auch war. Der weibliche Touch fehlte eindeutig. Das merkte man auch an der Verblüffung meines Kellners, der es kaum fassen konnte, dass ich nur ein Glas Wein bestellen wollte und nicht gleich eine ganze Flasche. Normalerweise wird man immer komisch angeschaut, wenn man allein eine Flasche bestellt, was mengenmäßig für mich nie das geringste Problem ist. Mein Kellner übrigens sah aus wie jemand, den man bei einer Kneipenschlägerei gern an seiner Seite hätte.
Ich wollte nur eine Vorspeise und eine Pasta, sagte ich dem Raufbold. Er lächelte mich an und verschwand. Er kam mit acht Tellern zurück, die, wie ich dachte, für den Fußballverein vom Nebentisch bestimmt waren, doch er stellte sie allesamt bei mir ab. »Das ist die erste Vorspeisenrunde«, sagte er. »Zwei kommen noch.«
24 Teller Antipasti. Alle Muscheln, die Sie oder Ihre Kinder jemals am Strand gefunden haben, groß oder klein, grau oder bunt, mit oder ohne Einsiedlerkrebs: Ich habe sie roh, eingelegt, gratiniert und frittiert verschlungen. Dazu gab es die bekannten Seeigel, und ich konnte in dieser männlichen Atmosphäre nicht schlappmachen. Wollte der Raufbold mich gar auf die Probe stellen, mich, den erkennbar Fremden mit dem komischen Akzent? Ich fühlte mich wieder an meine Abende in
Sankt-Paulianer Kneipen erinnert, bevor jene Kneipen zu Hamburger Szenetreffs wurden. Da musste ich jetzt einfach durch. Sogar die Schnecken pulte ich aus ihrem Gehäuse, aber die Schnapsidee mit dem Glas Wein ließ ich bald sein und bestellte eine Flasche, denn ich konnte beim Herunterbefördern jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen konnte. Und: Ja, es war vorzüglich. Selbst die Seeigel schleckte ich aus. Aber es war natürlich viel zu viel, und ein paar der rohen Jakobsmuscheln ließ ich zurück. Eine schöne Erinnerung an Nicos legendäre Spaghetti fasolari aus Grado waren die rohen Fasolari-Muscheln, die ich so noch nie gegessen hatte.
Würde ich noch die Pasta schaffen? Was für eine Frage. Und wieder eine kleine Überraschung. Die beiden Spezialitäten waren Spaghetti con ricci (mit Seeigeln), aber wenn ich noch einmal das Wort Seeigel hören sollte, würde ich meinen Revolver entsichern. Also bestellte ich Pasta Nummer zwei: Ravioli con dentice , gefüllt mit Zahnbrasse. Auch hier im Süden also wieder die Eiernudel, was zeigt, dass man Prinzipien nicht mit in den Abend nehmen sollte und dass es mit dem Schisma nicht so weit her ist, wie die Experten uns glauben machen wollen.
Ich hatte die 24 Vorspeisen überstanden, ich hatte die Pasta vertilgt und die Flasche Wein ebenfalls geleert: Beim Rausgehen ging ich am Erdgeschoss und der gläsernen Küche der Kellner/Köche vorbei. Dort befand sich auch die Kasse, und es gab noch einen coolen Moment. Das Essen kostete nämlich 40 Euro, und ich ließ ein Trinkgeld von 5 Euro da, ein für italienische Verhältnisse üppiger Betrag, aber erstens hatte ich es nicht kleiner,
zweitens finde ich Münzgeldtrinkgeld sowieso irgendwie schäbig, und drittens war ich einfach heilfroh, das Meeresfrüchte-Inferno überstanden zu haben. Jedenfalls kassierte der Oberkellner, der möglicherweise auch der Besitzer war, und als ich das Trinkgeld hinterließ, rief er laut: » Mancia! « (Trinkgeld) Und in der Küche klapperten alle Köche kurz und ausgesprochen vernehmlich zum Dank mit ihren Kochlöffeln, Schöpfkellen und Töpfen.
Meine Reise führte mich weiter nach Sciacca, eine Kurstadt an der Südwestküste, in der schon die Römer ihre Zipperlein auskuriert haben sollen. Dort hatte ich ein paar Adressen bekommen, doch kurz vor den Stadttoren trat ich voll auf die Bremse. Meine alte Freundin Valentina rief mich an und sagte die magischen Worte: »Fulvio ist hier.«
Fulvio! Das Phantom! Über Fulvio Pierangelini, den exzentrischsten Koch in dieser an Exzentrikern nicht armen Branche, ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Für alle italienischen Gourmetführer ist er der beste Koch Italiens, für die Spanier sogar der beste Koch der Welt. »Er liebt das Kochen mehr als die Menschen«, heißt es über ihn, und der Satz gefällt mir schon mal sehr gut. Er würde sich lieber am nächsten Laternenpfahl aufknüpfen lassen, als je in einer Fernseh-Kochshow aufzutreten, und er hat eine ganz einmalige Philosophie. Er gibt kaum Interviews, lässt sich nicht fotografieren, macht aus sich und seinem Gekoche keine Show. Dass der Lockenkopf dazu
anscheinend noch herrlich einen an
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