Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Tiere, mein Leben

Meine Tiere, mein Leben

Titel: Meine Tiere, mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
wie ihr Besitzer, hervorspringende Hüftknochen, krumme, dicke Beine und Hörner, auf denen sich zahllose Ringe abzeichneten.
    Das einst hohe und feste Euter hing schlaff und traurig fast bis auf den Boden.
    Auch in ihrer stillen und geduldigen Art ähnelte sie ihrem Besitzer. Ich hatte ihr ein örtliches Betäubungsmittel in die Zitze gespritzt, bevor ich die Wunde zunähte, aber ich glaube, sie hätte sich auch sonst kaum bewegt. Beim Vernähen von Zitzen sitzt der Tierarzt in der idealen Lage für Fußtritte; mit gebeugtem Kopf direkt vor den Hinterbeinen; aber bei Blossom bestand keinerlei Gefahr. Sie hatte in ihrem Leben noch nie nach jemandem ausgeschlagen.
    Mr. Dakin stieß einen schnaufenden Seufzer aus. »Tja, da bleibt wohl keine andere Wahl. Sie wird dran glauben müssen. Ich werde Jack Dodson sagen, er soll sie am Donnerstag abholen und zum Schlachten bringen. Für Steaks ist sie wahrscheinlich ein bisschen zu zäh, aber für den Fleischwolf taugt sie noch.«
    Er gab sich Mühe, es von der komischen Seite zu nehmen, aber als er die alte Kuh ansah, brachte er kein Lächeln zuwege. Hinter ihm sah ich durch die offene Stalltür das grüne Hügelland und den Fluss, auf dem die Frühlingssonne mit ihren Strahlen Millionen tanzender Lichtflecke erflimmern ließ. Das steinige Ufer leuchtete knochenweiß unter dem grasigen Hang, der sich zum Weideland darüber emporstreckte.
    Ich hatte mir oft gedacht, dass diese kleine Farm der ideale Ort für ein geruhsames Leben wäre; kaum anderthalb Kilometer von Darrowby entfernt, aber doch abgelegen und mit dieser herrlichen Aussicht auf den Fluss und die Hügel. Ich bemerkte es einmal Mr. Dakin gegenüber, und der alte Mann sah mich spöttisch an.
    »Mag sein, aber die Aussicht bringt nicht viel ein«, sagte er.
     
    Zufällig kehrte ich am folgenden Donnerstag auf den Hof zurück, um eine Kuh auszukratzen, und ich war gerade im Stall, als Dodson, der Viehtreiber, kam, um Blossom abzuholen. Er hatte schon eine kleine Herde fetter Ochsen und Kühe beisammen, auf die oben auf der Straße einer seiner Männer aufpasste.
    »Na, Mr. Dakin«, rief er, als er sich in den Stall schob, »ich kann mir schon denken, welche ich mitnehmen soll. Das alte Gerippe da hinten.«
    Er zeigte auf Blossom, und eigentlich entsprach seine respektlose Beschreibung durchaus dem knochigen Gestell zwischen den wohlgerundeten Nachbarinnen.
    Der Farmer antwortete nicht gleich, dann ging er zu Blossom in den Stand und kraulte ihr liebevoll die Stirn. »Ja, das ist sie, Jack.«
    Er zögerte und löste schließlich die Kette von ihrem Hals.
    »Nun geh nur, altes Mädchen«, sagte er leise, und das Tier drehte sich um und ging friedlich aus dem Stand.
    »Los, komm schon!«, rief der Viehtreiber und stieß ihr den Stock in die Rippen.
    »Du sollst sie nicht schlagen!«, bellte Mr. Dakin.
    Dodson sah ihn überrascht an. »Ich schlage sie nie, das weißt du doch. Ich bring sie nur auf Trab.«
    »Ich weiß, ich weiß, Jack, aber für die da brauchst du deinen Stock nicht. Die folgt dir brav, wohin du willst – so war sie schon immer.«
    Blossom bestätigte es, als sie durch die Stalltür ging und auf einen Wink des Farmers den Pfad zur Straße hinauftrottete. Der alte Mann und ich sahen ihr zu, wie sie bedächtig schritt und Jack Dodson ihr nachlief. Als das Tier und der Mann hinter einer Baumgruppe verschwanden, blickte Mr. Dakin ihnen immer noch nach und lauschte dem Klappern der Hufe auf dem harten Boden.
    Als endlich nichts mehr zu hören war, wandte er sich mir zu. »So, Mr. Herriot, machen wir uns an die Arbeit. Ich hole Ihnen heißes Wasser.«
    Der Bauer war schweigsam, während ich mir den Arm einseifte und ihn in die Kuh einführte. Das Entfernen der Nachgeburt bei einer Kuh ist an sich schon keine angenehme Sache, aber es ist noch unangenehmer, wenn man dabei zusehen muss, und ich bemühe mich stets, den Farmer mit einem Gespräch abzulenken, während ich im Uterus herumwühle. Aber dieses Mal hatte ich es schwer. Auf all meine Bemerkungen über das Wetter, das Cricketspiel und die Milchpreise antwortete er nur mit einem kurzen Brummen.
    Er hielt den Schwanz der Kuh, lehnte sich auf ihren haarigen Rücken und blies mit ausdruckslosem Gesicht große Rauchwolken aus seiner Pfeife. Und natürlich musste es ausgerechnet dieses Mal, in der unbehaglichen Atmosphäre, viel länger als gewöhnlich dauern. Manchmal ließ sich die Placenta leicht mit einem Griff herausheben, aber diese musste ich stückweise

Weitere Kostenlose Bücher