Meine Tiere, mein Leben
er klein war.«
»Nein, es ist schlimmer als eine Erkältung. Es sind die Augenlider.«
»Was?« Ich nahm einen tiefen Atemzug und brüllte mit voller Stimmkraft: »Er hat nach innen wachsende Augenlider. Das ist eine ernste Sache.«
Der Alte nickte wieder. »Tja. Er liegt ja oft mit dem Kopf an der Türspalte. Da hat er wohl Zug gekriegt.«
»Nein, Mr. Close!«, schrie ich. »Es hat nichts damit zu tun. Was er hat, heißt Entropium, das muss operiert werden.«
»Ganz recht, junger Mann.« Er nahm einen Schluck Bier. »Nur ‘ne kleine Erkältung. Schon als er klein war...«
Ich kehrte betrübt an meinen Platz zurück. Ted Dobson sah mich fragend an.
»Was war denn los?«
»Ach, eine hässliche Geschichte, Ted. Entropium ist die Einwärtsdrehung des Augenlidrandes, und dann reiben die Wimpern an der Hornhaut. Das verursacht starke Schmerzen, Sehschaden und manchmal auch Erblindung. Auch im mildesten Fall ist es für einen Hund verdammt unangenehm.«
»Ich verstehe«, sagte Ted nachdenklich. »Dass der alte Mick Triefaugen hat, hab ich schon lange bemerkt, aber es ist schlimmer geworden.«
»Ja, manchmal kommt es plötzlich, aber oft war schon eine Veranlagung vorhanden. Mick hat wahrscheinlich schon sein ganzes Leben darunter gelitten, aber jetzt hat es sich entsetzlich verschlimmert.« Ich blickte wieder zu dem alten Hund, der geduldig und mit geschlossenen Augen unter dem Tisch saß.
»Er hat also Schmerzen?«
Ich zuckte die Schultern. »Sie wissen ja, wie es ist, wenn man ein Staubkörnchen im Auge hat oder ein einziges Wimpernhaar. Ich glaube, es ist sehr schmerzhaft.«
»Der arme alte Kerl. Hätte nie gedacht, dass es so arg ist.« Er zog an seiner Zigarette. »Und eine Operation könnte es heilen?«
»Ja, Ted. Und es ist eine sehr befriedigende Arbeit für einen Tierarzt. Da hat man wirklich den Eindruck, dem Hund einen Gefallen zu tun.«
»Tja, das glaub ich schon. Muss ein schönes Gefühl sein. Aber so ‘ne Operation ist doch wohl teuer, was?«
Ich lächelte schief. »Kommt ganz darauf an, wie man’s betrachtet. Es ist eine mühsame Arbeit, und sie nimmt Zeit in Anspruch. Gewöhnlich nehmen wir ein Pfund dafür. Ein Menschenchirurg würde über einen solchen Betrag nur lachen, aber für den alten Albert ist es trotzdem zu viel.«
Wir blickten schweigend durch den Raum auf den alten Mann in seiner fadenscheinigen Jacke und den abgerissenen Hosenrändern, die über seine löchrigen Stiefel fielen. Ein Pfund – das waren zwei Wochen Rente. Ein Vermögen.
Ted erhob sich plötzlich. »Jedenfalls muss es ihm jemand sagen. Ich versuch’s mal.«
Er ging hinüber. »Na, Albert, noch eins gefällig?«
Der alte Schafhirt sah ihn geistesabwesend an und zeigte auf sein wieder leeres Glas. »Tja, kannst hier noch ‘nen Tropfen reingießen, Ted.«
Ted winkte Mr. Waters herbei. »Hast du verstanden, was Mr. Herriot dir gesagt hat, Albert?«, brüllte er.
»Ja... ja... Mick ist ein bisschen erkältet in den Augen.«
»Nein, das ist es nicht! Ist was ganz anderes! Ein En... ein En... eine andere Sache.«
»Ist ständig erkältet«, murmelte Albert in sein Bier.
Ted brüllte außer sich: »Du alter Blödkopf! Hör mir doch endlich mal zu – du musst dich um deinen Hund kümmern und... «
Aber der alte Mann war bereits weit weg. »War schon immer erkältet... schon als er klein war...«
Ich musste noch tagelang danach an diese Augen denken. Wenn ich mir Mick nur einmal vornehmen könnte. In einer Stunde würde ich den alten Hund in eine Welt versetzen, wie er sie wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Ich wünschte mir, ich könnte ihn in den Wagen packen und in der Praxis operieren. Aber ich konnte nicht damit anfangen, umsonst zu operieren. Ich sah ständig lahme Hunde auf den Bauernhöfen und verwahrloste und halb verhungerte Katzen auf den Straßen, und es wäre herrlich gewesen, sie alle gratis zu behandeln. Ich wäre nur dabei pleite gegangen.
Ted Dobson erlöste mich schließlich aus meinem Dilemma. Er war in die Stadt gekommen, um seine Schwester zu besuchen, und nun stand er, an sein Fahrrad gelehnt, bei uns vor der Tür. Sein freundliches Gesicht strahlte, als wolle es die Straße erleuchten. Er kam direkt zur Sache. »Mr. Herriot, würden Sie Mick operieren?«
»Ja, natürlich, aber... wie steht es mit...?«
»Ach, kein Problem. Die Kunden vorn Fox and Hounds übernehmen das. Wir bezahlen das mit dem Clubgeld.«
»Clubgeld?«
»Ja, jede Woche legen wir was auf
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