Meine Tochter Amy (German Edition)
eingehend vor. Ich weiß nicht, was genau gesprochen wurde, aber Amy kam raus und sagte: „Na gut, ich probier’s.“
Am nächsten Tag packte sie eine Tasche, und Nick brachte sie in eine Entzugsklinik in Surrey, außerhalb Londons. Sie sollte eine Woche dort bleiben, aber drei Stunden später war sie wieder da.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
„Papa, der Berater wollte nur über sich selbst sprechen“, sagte sie. „Ich habe keine Zeit, dazusitzen und mir diesen Müll anzuhören. Ich löse das auf meine Art.“
Die beiden Nicks, die sie nach Hause gefahren hatten, versuchten sie zur Rückkehr zu überreden, aber sie wollte nichts davon hören. Amy hatte sich entschieden, und basta.
Anfangs war ich einverstanden, weil ich von der Sache sowieso nicht restlos überzeugt war. Später stellte sich heraus, dass man Amy in der Klinik gesagt hatte, sie müsse mindestens zwei Monate bleiben – das war wohl der Grund für ihre Flucht. Eine Woche hätte sie durchgehalten, aber ein paar Monate? Keine Chance. Für Amy war es lebenswichtig, die Kontrolle zu behalten, sie ließ nicht zu, dass andere das übernahmen. Sie hatte schon immer alles selbst in die Wege geleitet: die Bewerbung bei Sylvia Young, den Gesangsjob beim National Youth Jazz Orchestra, den Job bei WENN. Sie ließ sich zwar helfen, aber geschafft hatte sie es – nicht Janis, nicht ich.
Amy ging in die Küche. „Wer möchte was trinken?“, rief sie. „Ich mach mal eine Kanne Tee.“
Frank verkaufte sich nach dem ersten Erscheinen in Großbritannien 300 000 Mal und wurde nach wenigen Wochen mit Platin ausgezeichnet. Man hätte denken können, mit Amys Karriere ginge es bergauf, aber dem war nicht so.
Gegen Ende 2004 tat sich nicht mehr viel. Ich fürchtete, die Sache sei so schnell wieder vorbei, wie sie begonnen hatte, aber Amy machte sich keine Sorgen, sie war viel unterwegs und amüsierte sich. Die Leute um sie schienen nicht zu sehen, dass in ihrer Karriere nichts voranging, und behandelten sie weiterhin wie einen Superstar. Ich schätze, wenn einem genug Leute sagen, man sei ein Star, glaubt man es irgendwann.
Nur meiner Mutter gelang es, Amy auf den Boden zurückzubringen. Sie machte sie nicht oft zur Schnecke, aber wenn, dann erbarmungslos. Eines Freitagabends waren wir bei ihr, und sie sagte zu Amy: „Geh da rein, räum die Teller ab, wenn alle fertig sind, trag sie in die Küche und mach den Abwasch.“ Das gefiel Amy nicht. Als alle anderen weg waren, rief Mama Amy wieder zu sich: „Komm her, du. Ich will mit dir reden.“
„Nein, Oma, nein.“ Amy wusste, was ihr blühte. Sie hatte zuvor etwas gesagt, was meine Mutter unpassend fand.
„Ich will so was nie wieder von dir hören. Was glaubst du, wer du bist?“
Das wirkte. Meine Mutter übte stabilisierenden Einfluss auf Amy aus und sorgte dafür, dass sie am Boden blieb. Kein Wunder, dass es Amy schwer traf, als ihre Großmutter im Winter 2004 krank wurde. Ich fuhr zu Amy rüber, und mir graute davor, ihr sagen zu müssen: „Oma hat Lungenkrebs.“ Als Amy ihre Wohnungstür öffnete, würgte ich die Worte heraus, dann fielen wir uns weinend in die Arme.
Alex zog für ein paar Monate zu meiner Mutter nach Barnet, um bei ihr zu sein, dann traten Jane und ich an seine Stelle. Wir wollten sichergehen, dass sie nie allein war, weil es ein Missgeschick mit ihren Medikamenten gegeben hatte: Sie hatte aus Versehen die zehnfache Menge einer bestimmten Medizin genommen. Dadurch geriet sie so außer sich, dass wir fürchteten, der Krebs habe sich auf ihr Gehirn ausgebreitet. Als wir den Fehler bemerkten und korrigierten, war sie nach ein paar Tagen wieder normal.
Alles, was man üblicherweise mit Lungenkrebs verbindet, traf bei meiner Mutter nicht zu. Sie atmete etwas schwer und bekam deshalb ein Sauerstoffgerät, aber ansonsten fühlte sie sich recht wohl.
In den letzten drei Monaten ihres Lebens ging es ihr sogar besser – zumindest nach außen hin. Dann kam ich eines Abends im Mai 2006 nach Hause und fand sie am Boden liegend. Sie war gestürzt, machte aber keinen allzu schlechten Eindruck, trotzdem rief ich die Sanitäter, um auf Nummer sicher zu gehen. Sie brachten sie ins Barnet General Hospital, und während der Untersuchung sah sie mich an und sagte: „Das war’s. Mir reicht’s.“
Ich fragte, was sie meinte.
„Ich habe genug“, sagte sie.
Ich beschwichtigte sie, sie solle kein dummes Zeug reden, nach einer gut durchschlafenen Nacht werde sie sich besser fühlen,
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