Meine Tochter Amy (German Edition)
und morgen brächte ich sie nach Hause.
„Ich habe genug“, wiederholte sie. Und das waren die letzten Worte, die sie zu mir sprach. Noch in derselben Nacht fiel sie ins Koma, eineinhalb Tage später schlief sie friedlich für immer ein.
Ich machte mir Vorwürfe, weil sie mich gebeten hatte, bei ihr zu bleiben, und als sie eingeschlafen war, war ich gegangen, um mich ein paar Stunden auszuruhen.
„Red keinen Unsinn, Papa“, sagte Amy. „Sie war im Koma.“ Der Tod meiner Mutter traf Amy und Alex hart.
Alex wurde depressiv und zog sich immer mehr zurück, und Amy war ungewöhnlich still. Aber Amys Kummer überraschte mich nicht. Fünf Tage, nachdem meine Mutter gestorben war, heiratete Hilary, die Schwester meines Freundes Phil, einen netten Kerl namens Claudio. Es war ihre erste Hochzeit – mit 60! Wir waren noch in tiefster Trauer, aber wir fühlten uns verpflichtet,hinzugehen. Jane, Amy und ich gingen, Alex war dazu nicht in der Lage. Wochen vor der Hochzeit waren Amy und ich gebeten worden, beim Empfang zu singen. Mein Hochzeitsgeschenk war ein Pianist, mit dem ich schon gearbeitet hatte und deshalb nicht proben musste. Und ich sang an diesem Abend. Es war schwer, so kurz nach dem Tod meiner Mutter, aber ich schaffte es.
Dann sollte Amy singen. Aber sie konnte einfach nicht. Sie war zu aufgewühlt, um vor die Gäste zu treten. Stattdessen ging sie mit dem Mikrofon in ein anderes Zimmer, damit die Gäste sie nicht sahen, und sang von dort ein paar Lieder. Sie war fantastisch, aber ich konnte den Schmerz in ihrer Stimme hören.
„Papa, ich verstehe nicht, wie du vor all diesen Leuten stehen und singen konntest“, sagte sie danach zu mir. „Du hast Nerven wie Drahtseile!“
Mir gelingt es immer, meine Gefühle beiseitezuschieben, Amy nicht. Sie sang für ihr Leben gern, aber ich glaube, aufzutreten war nie so richtig ihr Ding gewesen.
Nachdem Frank erschienen war, begann Amy ihre Auftritte, indem sie auf die Bühne marschierte und skandierte: „Class-A drugs are for mugs. Class-A drugs are for mugs …“ („Harte Drogen sind was für Trottel.“)
Sie brachte das ganze Publikum zum Mitmachen; alle klatschten und sangen, wenn sie den ersten Song anfing. Amy rauchte zwar Cannabis, aber sie war immer strikt gegen harte Drogen, absolut und ohne Ausnahme. Blake Fielder-Civil änderte das.
Amy lernte ihn 2005 im Good Mixer kennen, einer Kneipe in Camden. Keiner ihrer Freunde, mit denen ich im Lauf der Jahre sprach, kann sich erinnern, wie es dazu kam. Aber nach dieser Begegnung redete sie viel von ihm.
„Wann lerne ich ihn kennen, Schatz?“, fragte ich.
Amy reagierte ausweichend, wahrscheinlich weil Blake, wie ich später erfuhr, in einer Beziehung war. Amy wusste davon, sie war also praktisch „die Andere“. Und obwohl sie wusste, dass er mit einer anderen zusammen war, ließ sie sich kaum einen Monat später seinen Namen auf die linke Brust tätowieren. Offensichtlich liebte sie ihn – liebten sie sich -, aber es war auch klar, dass Blake seine Probleme hatte. Die Beziehung war von Anfang sehr ungestüm.
Ein paar Wochen nach ihrer ersten Begegnung verriet Blake Amy, dass er sich von dem anderen Mädchen getrennt habe, und Amy, die nie halbe Sachen machte, verfiel ihm nun ganz.
Ein paar Monate später sah ich Blake zum ersten Mal, im Queens Arms in Primrose Hill im Londoner Nordwesten, wo ich eines Sonntagmittags mit Amy verabredet war. Ich betrat die gut gefüllte Kneipe und sah sie bei so einem Kerl auf dem Schoß sitzen. Sie küssten sich leidenschaftlich. Die Kneipe war gerammelt voll, und ich dachte, so geht das nicht. Ich packte sie, brachte sie nach draußen und sagte ihr die Meinung – dass man so etwas in der Öffentlichkeit nicht tut. Wir stritten eine Weile, dann erklärte Amy mir, sie habe nur ihren Freund geküsst, Blake. Ich sagte, es sei mir egal, wer er ist, und wollte gehen, blieb aber stehen und drehte mich um. „Und noch was“, sagte ich. „Was soll das mit den toupierten Haaren und dem Make-up? Wen willst du damit darstellen?“
„Gefällt’s dir nicht, Papa? Das ist mein neuer Look.“
Ich fand sie hübscher, als sie etwas adretter war. Zwar musste ich zugeben, dass ihr der Look stand, aber das sagte ich ihr damals nicht.
„Komm, Papa, trink einen mit uns“, versuchte sie mich zu beschwichtigen.
Ich schäumte immer noch vor Wut und entschuldigte mich. Es ging mich nichts an, wo und wen meine 21-jährige Tochter küsste, aber ich bin eben ein Hitzkopf,
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