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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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»marxistische Werberede«.
    Die Atmosphäre jener Zeit, von Extremen gezeichnet – SA -Schlägereien mit Kommunisten, von Goebbels hochgeputschter Antisemitismus –, kam Arnolt Bronnen zupaß. Alles, was normal oder moderat gewesen wäre, lehnte er ab. Er agierte wild, extravagant, politisch unentschlossen, verkündete heiser patriotische Sprüche und lebte in ständiger Spannung, die sich auch in seinen Stücken entlud. Immerhin machte er damit Furore, er war der meistgespielte Autor auf deutschen Bühnen. Vom frühen Erfolg wie berauscht, schrieb er den umstrittenen Freikorps-Roman Roßbach und den nationalen Oberschlesien-Roman O . S . , erstmals im Mai 1929 erschienen, 1995 in einer Neuauflage wiederveröffentlicht. Goebbels rühmte O . S . im »Angriff« als Roman »für uns alle«, an dem »jeder von uns« mitgeschrieben habe und in dem »aus einer Hingabe heraus, die im Blute entstand und zur Nation durchbricht«, ein »junger Könner nach Irrungen und Wirrungen« seine künstlerische »Auferstehung« feiere. Es sei »der erste nationalistische Roman großen Stils«.
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31. Mundtot
    Bronnens »Hingabe, die im Blute entstand«, fordert den NS -Ideologen Alfred Rosenberg heraus, der mit dem Mythus des 20. Jahrhunderts im Jahr 1930 die pseudowissenschaftliche Begründung des Nationalsozialismus lieferte, und regte ihn an, im von ihm herausgegebenen Völkischen Beobachter einen Vierspalter gegen Bronnen zu lancieren. Eine Polemik gegen den »Halbjuden«, »der in seinen Werken die geschlechtliche Revolution predigt«, der also trotz O . S . ein »Schädling für deutsches Volkstum« sei. Der anonyme Verfasser bezieht sich auf Herwig Hartner-Hnizdos Werk Erotik und Rasse , berichtet vom »Mischjuden« Bronnen und dem Bühnenstück Schmelz, der Nibelunge des »Assimilationsjuden« Adamus-Bronner.
    Es war heraus. Bronnen, der Halbjude, Sohn eines Juden. Daraus konnte nichts Gutes kommen.
    Doch anstatt sich zurückzuziehen und stillzuhalten, kippte Bronnen ins Gegenteil und nutzte die Möglichkeiten, die ihm der Nationalsozialismus verschaffte, sich als Revolutionär zu gebärden. Fäuste und Gummi-Knüppel, SA -Männer im Leihsmoking unter dem Publikum, Presse-Angriffe und parlamentarische Anfragen. Man bezeichnete Bronnen als Führer eines literarischen Rollkommandos.
    Was Ferdinand Bronner alias Franz Adamus in Wien über die Vorgänge in Berlin zu hören bekam, war beunruhigend. Die öffentliche Bekanntgabe seiner jüdischen Herkunft muß ein Schock für ihn gewesen sein.
    Inzwischen glaubte zwar auch er, daß der Faschismus eine gerechte Sache verfocht, doch besser war es in je
dem Fall, sich nicht zu exponieren – daran hat er sich stets gehalten. Denn der Antisemitismus wurde immer dreister von Jahr zu Jahr, und jede spektakuläre Aktion war dazu angetan, auf das Judentum hinzuweisen, das er so lange geschickt verborgen hatte. Außerdem, konnte man wissen, wie das weiterging? Er hatte schon zu viele Katastrophen erlebt. Als Jude, soviel hatte er begriffen, mußte man sich immer hinten anstellen.
    Nein, Arnolt machte einen groben Fehler, wenn er sich so vehement von der Masse abhob. Es galt, das normale Empfinden zu kultivieren. Sich langsam vorzufühlen, Schritt um Schritt. Die Erkenntnis, daß Millionen anderer Menschen an das gleiche glaubten, das war es, was verband und Gemeinschaft schuf.
    Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky wenden sich scharf gegen Bronnen. Noch brisanter in seiner Wirkung ist Walter Kiaulehns Artikel »Bronnen und Roßbach« in der BZ am Mittag . Nach seiner provozierenden Rede bei der Tagung der Reichsrundfunkgesellschaft auf der Kasseler Wilhelmshöhe auf längere Zeit vom Rundfunk beurlaubt, hatte Bronnen sich in einem Buch des Freicorpsführers Roßbach angenommen. Schon mit O . S . hatte er »eine Lawine losgetreten«, nun kam es ihm vor, als sei er dafür »mit Unfruchtbarkeit gestraft worden«, ehe er auf Roßbach kam, der bei den Rechten Anklang fand. Kiaulehn bezeichnet Bronnen in seinem Artikel als »jungen Juden«, der besser daran täte, sich zionistisch und nicht deutsch-völkisch zu betätigen.
    Bronnen verbittet sich in seiner Rechtfertigungsschrift »Wie es war – und wie es ist« ausdrücklich – es ist das einzige Mal, daß er zum Judentum

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