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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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– als »unheimlich«: »Ich empfand meine eigene Arbeit wie einen Tiger, der rastlos hinter viel zu schwachen Eisen-Stäben hin und her geht. Die Bühne war ein Menschen-Käfig. Der Ausbruch mußte etwas Furchtbares sein.«
    Der Ausbruch entlud sich im Publikum. Erst beklemmende Stille im Zuschauerraum, dann Pfiffe, Schreie, Beifall. »Die zwei Stunden lang gemarterten Nerven verlangten diese Eruption, die immer tumultöser wurde. Der Tumult dauerte eine halbe Stunde lang«, notiert der Autor später.
    Alfred Döblin, Rezensent des Prager Tageblatts , registrierte Schläger und antisemitisches Gebrüll: »Ein junger kräftiger Graf mit Schmissen, ruhiges Assessor- oder Bankbeamtengesicht, hat ›Saujude‹ gegen einen klatschenden kleinen Herrn gerufen, der nun wie ein Stier gegen ihn anrennt, ihn stößt und packt.« Carl Zuckmayer sah »Fünfzehnjährige, die in Begeisterung schäumten, daß man für ihre Väter ernstlich fürchten mußte«. Es war, als hätte der Aufstand gegen die Väter den ganzen Saal erfaßt.
    Â»Ich hatte einen Zorn, ich weiß nicht gegen was, mag sein gegen alles; ich verstand den Löwen, der seine eigenen Kinder frißt.« Bronnen. Die Sicherheitspolizei erschien, Trillerpfeifen, ein Leutnant komplimentierte die Zuschauer hinaus.
    Als Bronnen hinaustrat, tauchte mit ausgebreiteten Armen Ernst Rowohlt auf: »Wollen Sie mein Autor werden, mit allem, was Sie schreiben? Ich biete Ihnen einen Jahres-Vertrag mit 50 000 Mark im Jahr.«
    Ohne Skandal kein Erfolg.
    Ein Stück, das als Meisterwerk des Expressionismus in die Literaturgeschichte eingegangen ist.
    In seinem Protokoll beurteilt Bronnen später den umjubelten Vatermord von 1922 skeptisch. Das Stück war neun Jahre vor der Aufführung entstanden. Der Vatermord von 1913 sei »eine wirklich revolutionäre Tat« gewesen, doch der Mord von 1922 ein »Mord an progressiven Kräften«: »So führt auch ein direkter Weg von Ihrem Vatermord fünf Wochen später zum Rathenau-Mord«, läßt er seinen fiktiven Richter im Protokoll sagen.
    Arnolt Bronnens Quelle der dichterischen Inspiration ist das Dagegen-Sein; erst am Gegner entzündet sich seine Kreativität, die ihm Lust verschafft. Fehlen ihm die Gegner, erschafft er sie sich, so, wie er auch im Privaten aus Nichtigkeiten Skandale entfesselt.
    Kann er mit diesem Zorn weiterleben?
    Wie Ferdinand Bronner arbeitet er an einem künstlichen Lebensgebäude, wobei Bronnens Fundament die Jugend ist. Ein Gegner ist von Anfang an das Alter, verkörpert im Vater: »Ich konnte es nicht erkennen, nur fühlen. Und ich fühlte es auf die primitivste, auf die egoistischste Weise, ich fühlte mich jung, ich glaubte, alles, was echt, ehrlich, gut sei, wäre das Junge; was aber verlogen, falsch, schlecht sei, wäre das Alte.« Für ihn steht Jungsein gegen Erwachsensein wie Leben gegen Tod, Zukunft gegen Vergangenheit.
    Nur der Jugendliche besitzt in seinen Augen die Fähigkeit, den Verstand auszuschalten und auf die Stimme sei
nes Herzens und seiner Gefühle zu hören, da sich rationales Denken erst durch Erziehung und Alter entwickle. So ist auch sein frühes, politisch unvernünftiges Verhalten zu erklären: Er will sich nicht durch autoritäre Verbote das Vorrecht auf jugendliche Gefühle austreiben lassen. »Da vorn liegt das sogenannte freiwillige Glück – die herrliche Kultur – wie ihr sie nennt – eine Vereinigung von allen möglichen Gemeinheiten – da liegt sie – und vorne steckt ein Wegweiser –«, heißt es im 1913 entstandenen Das Recht auf Jugend , in dem Vatermord und Geburt der Jugend verschmolzen sind, »Und hinten, ganz hinten – da liegt es – mein Land – das ich ersehne – das ich fühle – das helle – lichte – Land der Jugend – man sieht es so wunderlich hell und deutlich – wie ein Märchen.«
    Er beschwört einen geistigen Raum, in dem die Jugend ohne Druck, vor allem: ohne Eltern und Schule, einer Sehnsucht frönt, die vage mit einer Freiheit des »Urmenschen« zu tun hat – im Grunde eine rechte Vernebelung. Der Kampf der Jugend gilt der Vernunft, dem Ȋrgsten Feind«, der nur »vergifte«. Eine Jugend, die gegen eine Gesellschaft revoltiert, die »uns gewaltsam zu Puppen machen will – zu denselben Trotteln,

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