Meine Wut ist jung
China fährt und das Thema Menschenrechte unter den Tisch fällt. Immer stellt sich allerdings die Frage - und das ist von Land zu Land unterschiedlich -, wie man Kritik zur Geltung bringt, um Veränderungen zu bewirken.
Im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in China war auch die deutsche Kunstausstellung in Peking zum Thema Aufklärung heftig umstritten. Auch hier im Land schieden sich die Geister. Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Menschenrechtsthema aus der öffentlichen Diskussion und der öffentlichen Wahrnehmung bei uns nicht mehr wegzudenken ist. Es ist also ein Querschnittsthema deutscher Politik geworden. Bei allen Rückschlägen und angesichts vieler schrecklicher Verbrechen überall in der Welt darf man nicht zu dem Schluss kommen, alles sei vergebens. Ich habe bei vielen Gelegenheiten jungen Leuten, etwa bei Amnesty International, gesagt, dass es sich lohnt, für die Menschenrechte zu kämpfen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, alles sei vergeblich. Dafür ist viel zu viel erreicht worden. Menschenrechtspolitik war vielfach erfolgreich in Bezug auf einzelne Menschen, um die sich Amnesty beispielsweise kümmert, oder auch in Bezug auf einzelne Konfliktherde. Das Apartheid-Regime ist weg, Diktatoren in Südamerika, wie zum Beispiel in Argentinien, sind verschwunden. Das internationale Instrumentarium im Kampf um die Menschenrechte ist stark verbessert worden. Man darf aus der düsteren Beschreibung vieler negativer Beispiele nicht den Schluss ziehen, alles sei vergebens. Im Gegenteil: Es lohnt sich zu kämpfen!
Was kann der Einzelne tun?
Jeder kann sich bei Menschenrechtsorganisationen engagieren. Er kann sich auch mit Menschenrechtsverteidigern in anderen Ländern in Verbindung setzen: Anwälte mit Anwälten, Ärzte mit Ärzten. Oft genügt schon ein Zeichen der Verbundenheit mit den Opfern. Unsere neuen Kommunikationstechniken machen es möglich - eine positive Seite unserer neuen globalisierten Welt! Und schließlich ist natürlich auch finanzielle Unterstützung wichtig.
Das Jubiläumsjahr 2013 - 20 Jahre Wiener Weltmenschenrechtskonferenz - muss genutzt werden, um der Menschenrechtspolitik neue Impulse zu geben. Sie ist noch nicht konsequent genug Querschnittstehma deutscher Außenpolitik. Es fehlt an vorbeugender Menschenrechtspolitik und an der Bereitschaft, notfalls die Bundeswehr einzusetzen, wenn Rettung möglich und sinnvoll ist. Responsibility to protect - Schutzverantwortung - muss fester Bestandteil deutscher Politik werden. Verteidigungsminister de Maizière ist einer der wenigen, die in diese Richtung denken. Ein intellektueller Diskurs wie in Frankreich mit Bernhard-Henri Lévy an der Spitze findet hierzulande leider noch nicht statt.
»Es gehört Mut dazu, das Grundgesetz zu leben«
Die Grundrechte - hochgeschätzt und doch immer gefährdet
Das Thema Grundrechte spielt in Ihrem politischen Leben eine zentrale Rolle. »Rettet die Grundrechte« war sogar der etwas plakative Titel Ihres 2009 geschriebenen Buches. Nach 60 Jahren Grundgesetz haben Sie Bilanz gezogen. Ihre Sorge um Gefährdungen unserer demokratischen Gesellschaft haben Sie in diesem Buch ausführlich dargelegt. In vielen Vorträgen haben Sie zudem zu Aspekten gesprochen, die sich aus Ihrem Grundverständnis als freier Bürger ergeben: zu Fragen der Bürgerfreiheit und der inneren Sicherheit, zur Menschenwürde, zur Fremdenfeindlichkeit, zum Verhältnis von Staat und Kirche und auch zur Freiheit im Netz. Außerdem äußern Sie sich in letzter Zeit immer wieder zur Vertrauenskrise der repräsentativen Demokratie.
Am 14.02.2012 sprachen Sie im Dresdner Staatsschauspiel in der Reihe »Dresdner Reden« zum Thema: »Die Menschenwürde als Herausforderung für Staat und Gesellschaft«. Es war der Jahrestag der Zerstörung Dresdens in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945. Darauf nimmt die Rede ebenso Bezug wie auf die Reaktion der Stadt gegen die Aufmärsche von rechtsextremistischen Gruppen jeweils an diesem Gedenktag. Überhaupt sprechen Sie die rechtsextremen Gefahren an, die in unserer Gesellschaft erschreckend sichtbar geworden sind.
Ich habe den Titel »Die Menschenwürde als Herausforderung für Staat und Gesellschaft« bewusst gewählt, um auf die fundamentale Bedeutung der Menschenwürde für unser gesellschaftliches Zusammenleben hinzuweisen und auf aktuelle Gefährdungen, denen die Menschenwürde ausgesetzt ist. Das Thema hat auch mit Dresden zu tun, mit meiner Heimatstadt und mit mir,
Weitere Kostenlose Bücher