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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Baum
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wenn der zuständige Staat die Menschen nicht schützen kann oder nicht schützen will oder sogar aktiv beteiligt ist an solchen Verbrechen. Dann muss der Sicherheitsrat tätig werden. Genau das ist in Libyen passiert. Und daran wird deutlich, was sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat: Schutzobjekt in der Menschenrechtspolitik heute ist das Individuum, der einzelne Mensch, und nicht mehr die Staaten wie früher. Also ein echter Paradigmenwechsel. Ich war zutiefst enttäuscht, dass sich Außenminister Guido Westerwelle mit der Enthaltung Deutschlands zur Libyenresolution im Sicherheitsrat dieser Schutzverantwortung entzogen hatte.
    Jetzt haben Sie ja betont, Menschenrechte sind universell, gelten für alle. Warum sieht die UN dann in Syrien zu und auch in Somalia? In Syrien massakriert Baschar al-Assad die Bevölkerung und nichts passiert. In Somalia leiden die Menschen unter blanker Willkürherrschaft.
    Somalia ist ein typisches Beispiel für zerfallende Staaten. Ein Eingreifen wäre außerordentlich riskant und wenig erfolgversprechend. Die UN hat in solchen Fällen überhaupt keinen Ansprechpartner mehr. In Syrien massakriert die Regierung das eigene Volk. Die UN ist blockiert durch das Vetorecht der Chinesen und der Russen. Im Sicherheitsrat kommen nur mühsam Entscheidungen zustande. Zu bedenken ist: Die Lage in Syrien und in der Region ist sehr viel komplexer und folgenreicher als in Libyen.
    Menschenrechtsverletzungen finden u.a. statt in Staaten wie Kongo, Äthiopien, Senegal, Syrien und Libyen, selbst nach dem Sturz Gaddafis. Bestätigen diese Brennpunkte, dass das Thema Menschenrechte ein westliches Konzept ist, ein Wertemodell, das womöglich gar nicht hilft, die Probleme Afrikas zu lösen?
    Wie gesagt: Ich bin der Meinung, dass generell keine Alternative besteht zu einer auf freien Wahlen beruhenden Demokratie, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Das ist ein zutiefst an der Menschenwürde orientiertes Konzept und es gilt weltweit für alle Menschen. Das klingt utopisch angesichts der Verhältnisse in vielen Ländern der Erde. Aber im Kern - meine ich - kann und sollte man keine Abstufungen oder Abschwächungen zulassen. Man sollte versuchen - auch wenn es ein langwieriger Prozess ist -, das umzusetzen, was in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht. Das ist in den letzten Jahrzehnten eigentlich ganz gut gelungen.
    Es klingt vielleicht merkwürdig, angesichts der vielen Menschenrechtsverletzungen heute. Doch das Menschenrechtsthema ist insgesamt stärker geworden. In dem UN-Mechanismus spielt es heute als Querschnittsthema eine sehr viel größere Rolle als vor 20 Jahren, auch in den internationalen völkerrechtlichen Abkommen. Die Nicht-Regierungsorganisationen - Amnesty International und Human Rights Watch zum Beispiel - werden in ihrer Kritik und Wachsamkeit deutlicher wahrgenommen. Die Kommunikationsmöglichkeiten haben sich verbessert, durch das Internet sind die Menschen besser informiert und sie können sich leichter organisieren. Auch in der deutschen Außenpolitik ist die Menschenrechtspolitik heute eine unverzichtbare Komponente. Der Bundestag hat inzwischen einen Menschenrechtsausschuss eingerichtet.
    Ich erinnere immer an die KSZE-Schlussakte von 1975, eine Vereinbarung zwischen dem Westen und dem Ostblock. Diese ist ein Vorbild dafür, wie die Menschenrechte in der internationalen Politik bewertet werden müssen. Drei »Körbe« hatte man in dieser Vereinbarung aufgenommen: Friedenssicherung, Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte. Diese Themen sollten den gegenseitigen Beziehungen gleichberechtigt zugrunde liegen. Die KSZE-Schlussakte hatte erhebliche Wirkungen. So half sie zum Beispiel in Polen der Gewerkschaft Solidarność bei ihrem Widerstand gegen die Diktatur. Die polnische Regierung und die russische Regierung sahen sich plötzlich durch Regimegegner mit einer Vereinbarung konfrontiert, die sie selbst unterschrieben hatten. Die KSZE-Schlussakte hat zum Zusammenbruch der kommunistischen Staaten beigetragen.
    Kehren wir zu den aktuellen Ereignissen zurück. Was konnten wir aus den Vorgängen in Zusammenhang mit den Revolutionen im Norden Afrikas lernen? Hat die Politik in Europa daraus Lehren gezogen?
    Ich hoffe. Jahrzehntelang hatte die Politik überhaupt nicht wahrgenommen, dass im Norden Afrikas Menschen leben, die nichts anderes im Sinn haben, als so frei zu sein, wie wir das als selbstverständlich empfinden. Wir Deutsche mit unserer geschichtlichen

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