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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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Jahrhunderte hinweg, auch in der nachreformatorischen Zeit, als Ort für Pilger gesehen. Sie ist eine traditionelle Anlaufstelle, gerade auch für Menschen, die aus religiösen Gründen pilgern. Die Verbindung zu unserer Religion steht außerfrage.
    Der Kapuzinerbruder Paulus Terwitte spielte mit Kerkelings Buchtitel und brachte das Buch »Ich bleib dann mal da« heraus, das davon handelt, nicht wegzulaufen, und das begründet, weshalb seiner Auffassung nach das Katholische mitten in unsere Gesellschaft gehört.
    Das Wortspiel stimmt ja nicht ganz. Das Phänomen zu gehen bewirkt vor allem, sich innerlich in Bewegung zu setzen. Wer unter Pilgern »Weglaufen« versteht, verkennt den Sinn des Pilgerns. Pilgern ist eine Art des Zu-sich-Kommens. Es hat für viele Menschen etwas Segensreiches, weil sie wieder »bei sich ankommen« und sich dabei spirituell umgeben und geborgen fühlen. Das kann auf vielfältige Weise geschehen. Eben beim Pilgern oder in meiner Kirchenbank oder in der Liturgie oder beim Singen.
    Ein neues Amt anzutreten, hat viel mit Bewegung zu tun. Ich möchte das Bild verwenden, das Hermann Hesse in seinem berühmten »Stufen«-Gedicht malt: Räume verlassen, neue Räume betreten, sich auf den Zauber freuen, der jedem Anfang innewohnt. Wie haben Sie sich vorbereitet auf den Wechsel in Ihr Bischöfinnenamt?
    Indem ich mich zum Beispiel auf ein Interview wie dieses vorbereitet habe. Das heißt, indem ich mich besinne: Was sind meine Glaubensaussagen? Was ist mein Glaube? Wie kann ich ihn vermitteln?
    Es geht Ihnen um Selbstvergewisserung. Was war das Spezielle in der Zeit zwischen Ihrer Wahl im Juni und Ihrem Amtsantritt im November 2011?
    Ich musste das Alte abwickeln, mich trennen, und das fiel mir ehrlich schwer. Ich spürte, dass es mich emotional sehr beanspruchte, mir zu sagen: Die Anfrage, ob ich bei der Bischofswahl kandidieren würde, kommt eigentlich für mich einen Tick zu früh, aber ich begebe mich nun ganz bewusst da hinein und blicke nach vorne. Die Interviews in der Zeit zwischen Wahl und Amtsantritt markierten dann einen faszinierenden Zwischenraum, weil sie erforderten, dass ich mich in die neue Aufgabe eigentlich schon hineindachte, ohne dass ich sie hatte.
    Wie erarbeiten Sie sich Ihre Selbstvergewisserung?
    Zum Beispiel, indem ich mir immer wieder Räume schaffe, abends im Gespräch mit meinem Mann oder auch in Gesprächen mit Kolleginnen und Freunden. Orte, wo ich formuliere, worauf ich baue, was mich trägt, wo alles hinführen soll, was zu erwarten ist, was gut ist, was nicht. Ich gehe stark in die Selbstreflexion.
    Warum hatten Sie zunächst das Gefühl, die Kandidatur komme zu früh?
    Ich hatte in St. Jacobi erst knapp fünf Jahre gearbeitet, hatte ganz viel angefangen und das Gefühl: »Jetzt bin ich im vollen Lauf, den kann ich doch nicht schon abbrechen.«
    Und als Sie sich entschieden hatten?
    Da wurde es anders. Ich habe mich konsequent auf die Kandidatur vorbereitet.
    Sie mussten ja auch nicht ganz loslassen. Als Chefin haben Sie nun sogar die Draufsicht.
    Schon. Ganz sicher bleibe ich St. Jacobi und den Kirchengemeinden in meinem ehemaligen pröpstlichen Bezirk aufs Herzlichste verbunden. Andererseits sind die bischöflichen Aufgaben deutlich andere. Als Bischöfin bin ich nicht zuvorderst ihre Chefin. Meine Aufgabe umfasst vielmehr eine besondere Form der Seelsorge, der Verkündigung – auch der medialen Verkündigung – und der geistlichen Leitung.
    Sie haben von manchen Aufgaben Abschied genommen und neue angenommen. Geblieben ist die regionale Verortung. Beruflich sind Sie bislang eigentlich nur im Norden verankert gewesen. Ist das für Sie eine Bedingung: Würden Sie eine Aufgabe, die Sie wegführt aus dem Norden, ablehnen?
    Nein, das nicht. Ich hätte mir gut vorstellen können, irgendwann woanders hinzugehen, auch wenn ich den Norden wirklich sehr liebe. Dass ich hier so stark verankert bin, liegt daran, dass die Herausforderungen, die sich mir hier boten, spannend waren und einfach keine größeren Ortswechsel erforderlich waren.
    Was ist typisch am Norden?
    Die zurückgenommene Warmherzigkeit. In den ländlichen Gebieten gibt es eine knurrige Zurückhaltung. Wenn man da zweimal »Moin« sagt, ist das eigentlich schon einmal zu viel (lacht) . Die Menschen tragen das Herz nicht auf der Zunge. Alles hier hat eine Klarheit. Und diese ist verbunden mit einem großen Herzen.
    Sie wählten den Lübecker Dom als Ort für Ihre Amtseinführung, auch als Signal, dass die

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