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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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natürlicherweise nicht allen Wünschen nach persönlicher Begleitung nachkommen. Dennoch: Manchmal könnte ich sorgfältiger sein. Dieses Sündigen geschieht übrigens, davon bin ich überzeugt, in Gott. Jesus ist auch da gegenwärtig, wo ich ihn nicht mehr finden kann und ich ihm zu entgleiten drohe.
    Was ist für Sie Glauben? Das Vertrauen auf den Rückweg aus der Hölle?
    Ich kann gar nicht sagen: »Ich habe einen Glauben.« Vielleicht bin ich gläubig. Am liebsten sehe ich mich als einen, der glaubt, dass Gott sich zu ihm immer neuen Zutritt verschafft. Ich möchte eine Satellitenschüssel sein für ihn, ein Auffanggefäß.
    Dann könnten Sie sich eigentlich benehmen, wie Sie wollen, einfach in dem Glauben, Gott rette Sie schon aus jedem Fegefeuer.
    Quatsch, so was verbietet sich, wenn die Beziehung stimmt. Natürlich habe ich Verantwortung, will achtsam und fair sein. Ich schaffe es halt nicht immer perfekt. Wie der Apostel Paulus sagte: »Was ich will, das tu ich nicht, aber was ich nicht will, das tu ich.« Und fragte, wer ihn aus seinem dem Tode verfallenen Leib befreien werde …
    Sie könnten sich den Versuchungen entziehen, indem Sie sich die gefährlichen Seiten sperren …
    … mich einmauern lasse? Mich auf eine Säule stelle in der Hoffnung, dort nicht zu sündigen? Eine lustige Vorstellung. Mir reicht, möglichst immer achtsam zu sein. Und wenn es das eine Mal nicht klappt, dann eben das nächste Mal. – Das hört sich leichtsinnig an, ist aber nicht so gemeint. Sündigen ist etwas Perfides, in vielen Bereichen. Da ist das Internet noch harmlos. In der Hinsicht bin ich katholisch und eben nicht evangelisch angestrengt: Ich weiß, ich muss mich anstrengen, darf das aber auch in Grenzen sehen.
    Bestrafen Sie sich?
    Ich habe ein schlechtes Gewissen. Strafe ist keine Kategorie in der Liebe.
    Haben Sie Angst vor dem Jüngsten Gericht?
    Nein. Ich bin doch erlöst durch die Gnade. Christus trägt meine Sünden, Jesus ist unser Anwalt vor Gott. Das nehme ich sehr ernst und deshalb nehme ich ihn sehr ernst. Ich freue mich an dem, was ich kann, und nehme auch an, was ich nicht kann und was an mir nicht ganz gerade ist. Jesus hat es am Kreuz durchschmerzt. Auch, was ich ihm und Gott, dem Vater, was ich dem Heiligen Geist und den Mitmenschen und Mitgeschöpfen antue.
    Immer wieder hört man Menschen, die der katholischen Kirche vorwerfen, sie sei eine beklemmende, eine strafende, eine verängstigende Kirche. Wann haben Sie die Kirche auf diese Weise erfahren?
    Nie. Gar nie. Es ist anders. Ich finde beklemmend, wie die Stuttgart-21-Gegner ihre Meinung verfechten oder wenn sich Leute hier nachts einfach volllaufen lassen und nicht mehr wissen, was sie tun, oder wenn eine Gesellschaft hinnimmt, dass 30 alte Leute von nur zwei Personen gepflegt werden. Aber die Kirche ist doch nicht beklemmend. Und die Zeiten, in denen durch eine barocke Sprache verängstigt wurde, sind vorbei. Heute schreibt auch keiner mehr vor, ab wie viel Gramm Fleisch am Freitag die Sünde beginnt …
    Bleiben wir bei den viel gehörten Vorwürfen. Ein anderer lautet, die katholische Kirche verbiete die meisten Methoden der Verhütung und ignoriere dabei, dass eine große Zahl ihrer Mitglieder dies für weltfremd hält und sich inoffiziell pragmatisch darüber hinwegsetzt.
    Selbstverständlich wäre ich glücklich, wenn die Kirche ihre Vorschriften »evangelischer« begründen würde, also mehr vom Evangelium aus.
    Was verstehen Sie darunter?
    Man sollte die Dinge besprechen, wie sie sind. Nehmen wir die Pille als Beispiel. Ich erzähle den jungen Ministrantinnen, dass jedes Medikament für den Körper eine Übel-Zufügung ist, weil es ihn chemisch verändert. Man müsse also ein sehr gutes Argument für diese Veränderung haben und damit ein Gut wollen. Hätte ich eine Freundin und wäre mit ihr verheiratet, dann widerspräche es meinem Gerechtigkeitsempfinden, wenn sie sich chemisch verändern würde für unseren gemeinsamen Entschluss, jetzt keine Kinder haben zu wollen.
    Und mechanisch?
    Ich würde auch kein Kondom wollen, weil dies eine mechanische Trennung wäre.
    Und eine Sterilisierung?
    Könnte ich besprechen. Auch das ist ein einseitiger Eingriff. Ich kann das respektieren. Das ist eine Gewissensentscheidung. Wie auch die Entscheidung zu anderen Formen der Verhütung. Nun können Sie natürlich sagen, aber die Kirche sagt dazu ja ganz klar: »Das darf man nicht.« Dann antworte ich wie eine Mutter, die ihrem Kind, das gelogen hat,

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