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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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getan, damit das nicht wieder vorkommt. Teils zu viel. Das erzeugt einen neuen Puritanismus. Da geht Nähe verloren. Ich kann eigentlich keinen Jugendlichen mehr umarmen, all diese Gesten sind nun vergiftet. Man muss übrigens sehen, dass Vertuschung ja weiter gefordert wird von der persönlichen Umwelt, etwa der Opfer von familiärem Missbrauch: Eine junge Frau, die bei der Kirche Hilfe gefunden hat, klagte mir: Beim Geburtstag ihres Großvaters sei schwer über die Kirche hergezogen worden wegen der Missbrauchsfälle. Sie sagte: »Und wieder musste ich schweigen. Ich durfte nicht sagen: ›Papa, und was hast du mit mir gemacht, obwohl das ganze Dorf gehört hat, wie ich im Bad geschrien habe?‹ Ich darf unsere Familie nicht beschmutzen.« So wie die Bischöfe die Kirche nicht beschmutzen wollten.
    Vertuschung muss sich nicht auf Pädophilie beschränken. In der Kirche wird manches hinter verschlossenen Türen geregelt. Die obrigkeitliche Orientierung fördert das. Inwiefern müsste die Institution Kirche noch transparenter werden?
    Es wurden genügend Vorkehrungen getroffen, dass auch Unrecht anderer Art jetzt nicht mehr so einfach heimlich »geregelt« werden kann. Manchmal könnten die Entschädigungssummen schneller zugesprochen werden, aber insgesamt habe ich den Eindruck, dass hier sehr ordentlich gearbeitet wird.
    Welche Rolle spielte die Medienöffentlichkeit bei diesem Skandal?
    Nur so wurde das Problem öffentlich, und weil dann immer mehr Opfer ihre Geschichten erzählten, wurde auch das Ausmaß öffentlich. Und für die Medien rechnete es sich auch: »Sex und Kirche« verkauft sich immer. Wir hätten gerne die Opfer früher reden hören; doch sie fürchteten lange, man zeige dann mit dem Finger auf sie. Dies wird noch einmal extra aufzuarbeiten sein: Welche Mitmenschen die Opfer über Jahrzehnte davon abhielten, allein durch den Eindruck, den sie beim Opfer erweckten, es dürfe »so etwas« nie erlebt haben und schon gar nicht erzählen.
    Sie sind multimedial präsent, haben eine eigene Talkshow, einen Webauftritt, einen ganzen Stapel Bücher geschrieben. Welche Rolle spielt Ihre Medienöffentlichkeit für Sie persönlich?
    Ich habe kürzlich in einer Diskussion über die Zukunft in unserem Orden gesagt, vielleicht ist das mit dem Fernsehen für mich auch in zwei, drei Jahren vorbei und dann mache ich etwas ganz anderes. Ich merke, dass ich nicht daran hänge. Ich prüfe mich immer wieder, ob ich abhängig geworden bin von der Medienöffentlichkeit, ob ich sozusagen »scharf« bin auf die Medien. Ich bin es nicht. Aber ich finde es wichtig, dass christliche Inhalte über die Medien verbreitet werden.
    Das klingt ja beinahe, als hätten Sie sich schicksalsergeben mit der Medienarbeit befasst …
    Ich habe schon auch Lust darauf. Ich merke, was es bedeutet und bewirkt, wenn ein Kirchenmann über den Fernsehbildschirm in die Öffentlichkeit der Menschen geht und dabei neben dem »Wort zum Sonntag« als bewährtem Format kirchlicher Verkündigung auch andere Formate ausprobiert. Will man Menschen klarmachen, dass Kirche nicht von vorgestern ist, dann ist das ein guter Weg.
    Was meinen Sie: Wie verteilt sich das Interesse zwischen Ihnen als Person und den Inhalten, die Sie vermitteln?
    Inhalte zählen, denn ich erhalte Vortragsanfragen zu Themen, die ich medial aufgreife. Vor allem aber überzeugt, dass die Kirche solche Leute hat. Ich habe sehr viele Kontaktanfragen, und ich wurde in Deutschland zur Symbolfigur für eine moderne, zeit- und weltzugewandte Form von Seelsorgekirche und Verkündigung.
    Was profitieren Sie?
    Gar nichts. Ich habe einfach Lust, bestimmte Inhalte möglichst breit rüberzubringen.
    Manche finden, dafür gebe es gerade auf den Kanälen, auf denen Sie sich oft bewegen, auf N24, jetzt auf SAT1, keine Zielgruppe.
    Wieso? Im Gegenteil. Ich kann da zwar nur ganz wenig Information vermitteln, aber ich habe den Kanal, um dies zu tun. Es zählt, in diesen Medien präsent zu sein. Wir sind auf dem Marktplatz dieser Welt. Hier ist die Kirche, 200 Meter entfernt ist ein Bordell. Ich will mit dieser Welt sein, in all ihren Widersprüchlichkeiten, und in dieser Welt. Und wieso sollte ich Berührungsängste haben?
    In dem als Buch erschienenen Mail-Wechsel »Ich war verstummt …, du hast mir gemailt« schildert Ihnen eine Frau, wie sie missbraucht wurde. Manche wenden sich über Facebook, andere über Twitter an Sie, teils mit sehr persönlichen Dingen. Wie gewährleisten Sie, dass Ihnen in

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