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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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Kopf.
    «Ron geht nicht. Aber es gibt jede Menge andere schöne kurze Namen: Juri, Igor, Jan   …»
    «Hm.» Ich überlegte. «Geht Ronald?»
    «Klar.»
    «Und die Kurzform?»
    «Auch.»
    So blieb es am Ende doch bei dem Vornamen, den wir für unseren Sohn ausgesucht hatten.
     
    Mein Studium beendete ich am 21.   Juni 1972.   Ich war nun berechtigt, mich als «Diplomsportlehrer mit Hochschulabschluss/​Spezialisierung Fußball» zu bezeichnen. Für meine
     Abschlussarbeit hatte man mir das «Prädikat Gut» erteilt, sie trug den Titel «Probleme der Planung des individuellen Trainings
     unter besonderer Berücksichtigung der positions-spezifischen Anforderungen an den Außenstürmer im Fußball». Kurz gesagt, es
     ging in ihr um das Training eines Außenstürmers, beispielhaft dargelegt hatte ich es an meinen Vorbildern Garrincha, dem Engländer
     Stanley Matthews, Reinhard «Stan» Libuda sowie Eberhard Vogel, den ich ein Jahr später bei Jena trainieren durfte. Nach meiner
     Flucht wurde die Arbeit übrigens unter Verschluss gehalten.

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Thüringer Klöße treffen zielsicher Honeckers «Bonbon»
    |86| Auf einmal war ich Pädagoge – und musste damit eine «sozialistische Persönlichkeit» darstellen. Hugo Döbler, mein Professor
     für Sportspiele und persönlicher Förderer, hatte neben anderen dafür gesorgt, dass ich nach Jena delegiert wurde. Dort sollte
     ich beim FC Carl Zeiss einem «Trainerkollektiv» angehören, das Hans Meyer als Cheftrainer anführte. Groß, damals schon sehr
     stabil gebaut, galt er trotz seines Alters – er war der jüngste Coach der DD R-Oberliga , nur zwei Jahre älter als ich – als sehr resolut. Sein Trainerdiplom hatte er ebenfalls an der DHfK erworben und in Jena
     gerade die Nachfolge von Georg Buschner angetreten, dessen Co-Trainer er zuvor gewesen war. Buschner selbst trainierte seitdem
     die Nationalmannschaft. Meyers Assistent war Bernd Stange, der früher als ich das Studium beendet hatte und schon seit einem
     Jahr in dem Club tätig war; ich sollte als Trainer-Praktikant in dieses Team einsteigen.
    Alles schien hinsichtlich meiner Position als dritter Trainer geklärt und abgesprochen, da erhielt ich Ende August einen Anruf
     aus Berlin, und zwar von Hans Müller, der wohl als einer der wenigen von den höheren Sportfunktionären in der DDR geblieben
     war. Alle anderen befanden sich in München, wo die Olympischen Sommerspiele stattfanden. «Stell dich in Abtnaundorf vor, du
     gehst dort in das Wissenschaftliche Zentrum Fußball», teilte er mir mit.
    Ich war völlig irritiert. Anscheinend suchte man in der Forschungseinrichtung bei Leipzig gerade einen Mann und dachte sich,
     der Berger, der könnte das machen. «Es ist doch schon alles mit Jena klargemacht», antwortete ich. Das kam also auch vor –
     der eine Funktionär wusste nicht, was der andere mit mir vorhatte. Einig waren sie sich nur darin, mich nicht nach meinen
     eigenen Vorstellungen und Zielen zu fragen.
    «Das mit Jena hat sich zerschlagen.» Da Müller merkte, dass ich über diese neue Wende in meinem Leben nicht begeistert zu
     sein schien – ich war Praktiker und kein theoretischer Kopf   –, fügte |87| er hinzu: «In dieser Position hast du tolle Möglichkeiten. Bei Weltmeisterschaften kannst du ausländische Mannschaften analysieren,
     und natürlich darfst du dafür auch in den Westen reisen.» Er bot alles auf, um mir den neuen Job schmackhaft zu machen.
    «Wann soll es losgehen?», fragte ich.
    «Nächsten Montag.»
    Das war genau der Tag, an dem ich auch in Jena anfangen sollte – und ich wollte unbedingt zum FC Carl Zeiss, weil mir der
     Verein ein hervorragendes Sprungbrett für meine Trainerkarriere zu sein schien. Immerhin war er nach den Vorgaben des DTSB
     ein sogenanntes Leistungszentrum. Trotzdem sagte ich: «Gut, ich schaue mir das in Abtnaundorf an.»
    Ich hielt Wort und meldete mich in der Woche vor dem geplanten Dienstantritt bei der Forschungseinrichtung. Man zeigte mir
     mein Zimmer, alles war schon für mich hergerichtet. Doch als ich den Schreibtisch mit der Schreibmaschine darauf erblickte,
     wusste ich: Das ist nichts für mich.
    Wie konnte ich dieses Dilemma, in dem ich steckte, nur lösen? Da fast alle wichtigen Entscheidungsträger in München waren,
     erschien mir die Konstellation letztlich günstig, am Sonntagabend in meinen Trabi zu steigen und doch nach Jena zu fahren.
    «Da bist du ja, herzlich willkommen», sagte der Clubvorsitzende Herbert Kessler

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