Meine zwei Halbzeiten
– den wichtigsten Medaillensportarten der
Deutschen Demokratischen Republik.
Sportliche Erfolge hatten auch etwas mit dem System des Delegierens zu tun. Der Nationalspieler Joachim Streich, der als torgefährlichster
Spieler der Oberliga galt, war bei Hansa Rostock zu Hause. Da dieser Club kein Leistungszentrum des Fußballverbandes war,
sollte er zum 1. FC Magdeburg wechseln. Streich wäre gern bei seinem Club geblieben, musste aber im Namen der Delegierung seine Koffer packen
und vom Norden weiter in den Süden der Republik ziehen. Hätte er sich geweigert, mit Sicherheit hätte er nur noch bei unterklassigen
Mannschaften spielen oder gleich mit dem Fußball aufhören können. Das war Transfer unter Zwang.
Ähnlich rigoros ging man mit ganzen Sportarten vor. Es ging vor allem darum, bei Olympischen Spielen möglichst viele Medaillen
zu sammeln, und das war in Einzel- meist einfacher als bei Mannschaftssportarten. Als man etwa bei den Winterspielen im japanischen
Sapporo 1972 sah, dass der niederländische Eisschnellläufer Ard Schenk drei von möglichen vier Goldmedaillen holte, benutzte
man in der Folge die Flächen der Eishockeymannschaften, um darauf Eisschnell- und Eiskunstläufer trainieren zu lassen. Ebenso
erging es den Wasserballern, Basketball- sowie Hockeyspielern, deren Spielflächen gleichfalls für medaillenträchtigere Sportarten
umfunktioniert wurden.
|78| Unabhängig von diesen Zusammenhängen wollte ich als Oberligaspieler vor allem eines: in die Nationalmannschaft berufen werden.
Bis zur U23 und zur Olympiaauswahl hatte ich es schon geschafft. Meine Ziele waren ehrgeizig, doch bevor ich sie erreichte,
musste ich lernen, sie wieder aufzugeben. So reibungslos, wie es bislang für mich verlaufen war, so sollte es nicht weitergehen.
Ich war als Spieler, wie gesagt, sehr schnell, ein Sprintertyp. Das machte mich zugleich äußerst verletzungsanfällig. Schon
früh zeigte sich, dass ich Probleme mit der Muskulatur hatte, und dies verhinderte letztlich, dass ich jemals den großen Durchbruch
schaffte. Ohne die Verletzungen und mein «süßes Leben» wäre ich vielleicht tatsächlich Nationalspieler geworden.
Die entscheidende Wende kam während einer Begegnung gegen Hannover 96, zu dieser Zeit spielten in dem Bundesligaverein die
Nationalspieler Jupp Heynckes und Hans Siemensmeyer. Bei einem Sprint zog ich mir wieder einmal eine Muskelverletzung zu,
diesmal einen besonders schweren Muskelfaserriss. Ich musste operiert werden und sechs Wochen im Krankenhaus bleiben, man
hatte mir sogar einen Beckengips angelegt. Das waren keine optimalen Bedingungen für meine weitere Zukunft als Leistungssportler,
Rückschläge schienen vorprogrammiert zu sein. Aus diesem Grund musste ich eine Entscheidung treffen. Wenn ich weiterhin so
engagiert Fußball spielte, war damit zu rechnen, dass ich mir noch häufiger derart massive Verletzungen zuziehen würde. Das
konnte das Ende meiner Karriere bedeuten. Aber auch das Ende meines Studiums, das ich gerade begonnen hatte, meiner Trainerausbildung
an der DHfK.
Denn das Doppelleben, das ich erneut auf mich genommen hatte, also weiterhin Fußball zu spielen und daneben mein Studium zu
verfolgen, war anstrengender, als ich es mir vorgestellt hatte. Das lag auch daran, dass ich nun nicht mehr mit Werktätigen
stundenlang frühstückte, sondern an der Hochschule ebenfalls körperlichen Belastungen ausgesetzt war. Wir mussten nicht |79| nur Theorie pauken, sondern in großem Umfang praktische Trainingseinheiten absolvieren. Als ich nun mit meinem Beckengips
in der Klinik lag, fragte ich mich, ob ich das Risiko eingehen wollte, das Studium nicht abschließen zu können. Bei erneuten
schweren Verletzungen wäre ich nicht mehr in der Lage, dessen sportlichen Anteil zu bewältigen.
Ein hervorragender Fußballer zu sein, war das eine, so redete ich mir gut zu, aber eine Trainerlaufbahn hatte auch reizvolle
Seiten. Besonders wenn man sich zum Ziel setzte, Trainer in der Oberliga zu werden. Immerhin schuf mein Studium dafür beste
Voraussetzungen, die DHfK war sehr bekannt. 1952 auf Beschluss der Partei- und Staatsführung in Leipzigs Auenlandschaft errichtet,
galt sie nicht nur in der DDR als eine der besten Institutionen der Welt. Sportpraxis, Trainingslehre, Sportmedizin und die
verschiedensten Forschungsstellen, die sogenannten FKS – hier war alles koordiniert, besser gesagt: zentralisiert. Sportler
wurden
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