Meine zwei Halbzeiten
überdacht, einzig eine kleine Ehrentribüne existierte gegenüber dem Haupteingang. Immerhin
soll sich dahinter ein größerer Raum befunden haben, wie man mir später erzählte, in dem Empfänge abgehalten werden konnten.
Selbst ein Zimmer hatte es demnach gegeben, in dem ein Bett für den Genossen Honecker stand, damit er bei Großveranstaltungen
zwischendurch auch mal ein Nickerchen machen konnte.
Der DFB hatte mir für diese Begegnung – Eintracht Frankfurt spielte gegen den VFB Stuttgart – sogar eine Ehrenkarte spendiert, die richtig was hermachte. Sie besaß
fast die Größe einer Postkarte, nicht vergleichbar mit den Schnipseln, die ich aus dem Osten kannte. Ich fand sie so imponierend,
dass ich sie bis heute aufgehoben habe.
Als wir die Kontrolle zu den Parkplätzen für die Spieler und Funktionäre passierten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus:
Was standen da für Schlitten! Meine Güte!
Anschließend betraten wir einen der sogenannten VI P-Räume und erhielten von jungen Frauen ein Bändchen ausgehändigt. Ich bekam ein rotes, mit dem Hinweis, dass es mich berechtigte,
umsonst zu essen und zu trinken. Von all diesen Eindrücken erledigt, setzte ich mich erst einmal an einen Tisch. Da ich immer
noch ständig hungrig war, dachte ich daran, mir erst einmal ein Depot für die kommenden Tage anzulegen. Erst danach wollte
ich mich dem Spiel widmen. Also suchte ich mehrmals das Büfett auf und schlug richtig zu.
Bundesligabegegnungen am Fernsehen zu beobachten oder live mitzuerleben – das ist ein großer Unterschied. Hier handelte es
sich um ein Flutlichtspiel, und es wurde eine Anlage angeschaltet, |165| die so viel Licht auf den Rasen warf, dass man den Ball genau verfolgen konnte. Bei der Lichtanlage im Zentralstadion blieb
es manchmal derart duster, dass man den Ball regelrecht suchen musste. Die heimischen Mannschaften hatten sich mit der Zeit
an diese Herausforderung gewöhnt, die Gegner waren entschieden im Nachteil.
Schon nach wenigen Minuten Spielzeit fiel mir auf, dass beide Mannschaften eine völlig andere Taktik favorisierten als Oberliga-Teams
in der DDR. In der Bundesliga bevorzugte man offenbar die Raum-, im Osten eine konsequente Manndeckung. Dort stand vielfach
im Vordergrund, den Gegner auszuschalten, um erst später zum eigentlichen Spiel zu finden.
Die beeindruckende Gesamtatmosphäre führte dazu, dass ich mir auf meinem Ehrenplatz innerlich das Ziel setzte, eines Tages
Bundesligatrainer zu werden. Nach dem Ende der Begegnung brachte man mich in die Katakomben des Waldstadions, um mich meinen
ehemaligen Spielern Jürgen Pahl und Norbert Nachtweih vorzustellen, die bei der Eintracht spielten.
Die beiden erschraken zunächst, als sie mich sahen. Vielleicht dachten sie, ich sei gekommen, um sie in die DDR zurückzuholen.
Doch dann umarmten wir uns und saßen noch mit den anderen Eintracht-Spielern zusammen. Einen Sieg konnten sie nicht feiern,
Frankfurt hatte mit 2 : 3 verloren, wobei Jürgen Pahl als Torwart maßgeblich am dritten Gegentor beteiligt war. Das minderte aber nicht im Geringsten
seine Laune, er lud mich sogar ein, bei ihm und seiner Freundin Diana Vermeulen in Bischofsheim im Maintal zu übernachten,
Norbert wohnte nicht weit entfernt von seinem Freund, zwei Wohnblocks weiter.
Am nächsten Morgen fuhren die beiden mich zurück nach Gießen.
Bei dieser Gelegenheit erlebte ich meine erste Fahrt in einem größeren Auto. Mit mindestens 200 Stundenkilometern bretterte |166| Jürgens Mercedes über die Autobahn, die teilweise drei-, teilweise vierspurig war. Ich saß auf dem Beifahrersitz – und schwitzte
Blut und Wasser. Ein Anflug von Panik erfasste mich, kannte ich solch ein Tempo doch überhaupt nicht. Ich hatte das Gefühl,
im nächsten Moment aus dem Wagen geschleudert zu werden. Jürgen fand anscheinend Vergnügen an seinem Fahrstil, jedenfalls
summte er zu der Musik, die aus dem Autoradio kam.
Schließlich stellte er sie leiser und fragte: «Wie ist denn Ihre Befragung abgelaufen?»
Ich erzählte ihnen vom BND, beide antworteten daraufhin: «Bei uns war es ähnlich. Wir wurden auch darüber informiert, dass
gewisse Leute an uns herantreten könnten.» Ich fragte nicht weiter nach, ob dies auch geschehen sei. Immerhin war ich ihr
ehemaliger Trainer, der sie hart rangenommen hatte. Da ergab sich zwangsläufig eine gewisse Distanz zwischen uns. Vielleicht
hätte eine Nachfrage nur
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