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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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größeres Glück konnte ich mir nicht vorstellen. Endlich von einem Land ins andere reisen können, ohne dafür eine Erlaubnis
     einholen zu müssen!
    Der folgende Schritt war dagegen viel schwerer: Um Geld zum Leben zu haben, musste ich Sozialhilfe beantragen. Ich, ein Sozialhilfeempfänger!
     So weit hatte es mich zurückgeworfen. Möglichst schnell, das nahm ich mir angesichts dieser Perspektive vor, wollte ich einen
     Trainerposten finden, um auf eigenen Beinen zu stehen und nicht mehr vom Staat abhängig zu sein. Immerhin nutzte ich für den
     Start die Möglichkeit aus, bei der Eintracht zu hospitieren. Friedel Rausch, der dort gerade als Trainer angefangen hatte,
     sah kein Problem darin, wenn ich mit auf der Bank saß und zuschaute. Allerdings staunte ich immer |173| wieder darüber, dass es keine Trainingspläne gab und sehr locker zuging.
    Um nun zum Sozialamt fahren zu können, das in Höchst, im Westen von Frankfurt, lag, lieh mir Norbert seinen Wagen. Vorher
     erklärte er mir ein paar fahrtechnische Dinge – ein Mercedes war schließlich kein Trabi   –, ebenso den Weg. Alles verlief ohne große Schwierigkeiten, mit dem Auto kam ich bestens klar, und die angegebene Straße
     fand ich sofort. Am Ziel angelangt, parkte ich voller Schwung ein.
    Auf dem Amt ließ dieser ein wenig nach, da die Angestellten, die mich betreuten, aller Wahrscheinlichkeit nach mit den größten
     Komplikationen, die es bei Menschen aus fernen Ländern geben konnte, umzugehen vermochten, nicht jedoch mit denen, die bei
     einem DD R-Flüchtling auftauchten. Es dauerte ewig, bis sie alles verstanden hatten – aber wer bekam schon eine Wohnung vom BND zugewiesen, wenn
     auch nur zur Tarnung?
    Als ich nach Stunden wieder ins Freie trat, bemerkte ich eine Frau, die in der Nähe von Norberts Mercedes stand und eine seltsame,
     mir unbekannte Uniform trug. In dem Moment, in dem ich die Autotür öffnete, fragte sie: «Ist das Ihr Wagen?»
    «Nein», erwiderte ich.
    «Aber Sie wollten doch gerade in das Fahrzeug einsteigen.»
    «Trotzdem ist es nicht meins.»
    «Wem gehört es denn?»
    «Das sollte Sie nicht interessieren», antwortete ich leicht gereizt.
    «Das interessiert mich schon», sagte die Frau.
    «Ich weiß jetzt nicht, ob Sie von der Post, von der Bahn oder eine Stewardess sind. Aber es wäre besser, Sie kümmern sich
     um andere Dinge als um das Auto hier.» Ohne weiter auf die Uniformierte zu achten, stieg ich in den Mercedes ein. Die Frau
     wollte mir noch etwas überreichen, doch ich sagte nur: «Das können Sie behalten.» Und fuhr los.
    |174| Am Abend erzählte ich Norbert die Geschichte, er lachte laut los.
    «Wieso?», fragte ich. «Was ist so komisch daran?»
    «Das war eine Politesse, keine Stewardess oder Bahnbeamtin.»
    «Eine was?» Im ersten Augenblick dachte ich, dass es sich wieder um etwas Unanständiges handeln könnte, denn nie zuvor in
     meinem Leben war ich einer Politesse begegnet. Deshalb fügte ich noch hinzu: «Na ja, gut sah die ja schon aus.»
    «Mensch, bist du denn irre? Das ist eine Frau, die nach Falschparkern sucht. Und weil du meinen Wagen auch irgendwo unerlaubt
     abgestellt hast, bekomme ich jetzt ein Knöllchen.»
    «Was bekommst du?»
    «Einen Zettel, einen Strafzettel. Ich hab schon einen ganzen Stoß davon, mit etlichen Verwarnungen.»
    «Entschuldigung», sagte ich, «das wusste ich nicht.»
    «Mach dir keine Gedanken, ein Knöllchen mehr oder weniger, das ist nicht so wichtig.»
    Mein Lernprogramm namens «Leben im Westen» war damit aber noch lange nicht beendet. Am folgenden Donnerstag gab ich mein erstes
     Zeitungsinterview in der Bundesrepublik, und zwar für den
kicker
. Wieder durfte ich Norberts Mercedes benutzen, um zur hessischen Redaktion des Sportmagazins nach Offenbach zu fahren. Weil
     ich nirgendwo einen Parkplatz fand und kein weiteres «Knöllchen» riskieren wollte, stellte ich den Wagen in einem Parkhaus
     ab, das in der Nähe des Redaktionsgebäudes lag. Noch nie hatte ich ein Parkhaus betreten, aber da mehrere Fahrzeuge zielsicher
     darauf zusteuerten, entschied ich mich, ihnen zu folgen. Um den «Schlagbaum» passieren zu können, der mich an Grenzsituationen
     erinnerte, musste ich einen Knopf drücken – das hatte ich mir bei einem Fahrer abgeschaut, der vor mir an der Reihe war. Während
     ich das tat, kam mit einem Summen ruckartig ein Zettel heraus, auf dem etwas stand. Ich beachtete ihn nicht weiter, dachte
     nur, typisch Westen, überall müssen sie

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