Meine zwei Halbzeiten
Misstrauen ausgelöst.
Zum Abschied sagten sie, dass sie mich abends wieder abholen und mit mir eine Kneipentour machen würden, am Wochenende sei
spielfrei.
Lange sah ich den Rücklichtern des Mercedes nach, als ich vor der Pforte des Aufnahmelagers stand. Ich holte tief Luft. Die
Befragung durch den amerikanischen Geheimdienst lag vor mir. In meinem Kopf schwirrten noch all die Fragen herum, die mir
der BND am Tag zuvor gestellt hatte. Wenn ich gewusst hätte, dass die nächsten Stunden weitaus anstrengender werden würden,
ich wäre noch angespannter in die Vernehmung gegangen.
Die Amerikaner stellten sich nicht vor, ich wusste also nicht, ob ich Mitarbeiter der CIA oder anderer U S-Geheimdienste vor mir sitzen hatte. Sie waren genauestens über mich informiert, meiner Meinung nach viel genauer als der BND, und sie interessierten
sich vorrangig für Politisches und Militärisches.
«Kennen Sie führende Leute bei der Armee?», wurde ich als Erstes gefragt.
|167| Irgendwann hatte ich einmal die Bekanntschaft eines Oberst gemacht, was ich auch berichtete. In der Nationalen Volksarmee
und den Grenztruppen der DDR war dieser Dienstgrad der höchste, den man innerhalb der Gruppe der Stabsoffiziere erreichen
konnte.
«Was hatten Sie für einen Eindruck von ihm?»
Was hatte das mit meiner Flucht zu tun? Ich gab eine möglichst kurze Charakterisierung des Mannes ab und wiederholte, dass
ich ihn nur einmal getroffen hätte, ihn also nicht gut kennen würde. Zu viel wollte ich nicht über ihn sagen, mich nicht in
solche Dinge hineinziehen lassen. Deshalb spielte ich alles herunter.
«Sie sind doch dem Ersten Sekretär der Bezirksleitung von Halle begegnet? Was können Sie uns über ihn sagen?»
Natürlich kannte ich Werner Felfe, er wollte ja unbedingt, dass ich Trainer in Halle blieb, als ich schon längst für die Jugendauswahl
vorgesehen war. Das sagte ich auch, mehr nicht.
«Und Helmut Hackenberg?»
Das war der Bezirksfürst von Leipzig. Was sollte ich über ihn erzählen? In knappen Worten versuchte ich, die Bedeutung der
Parteibonzen für den Sport zu formulieren.
«Sind Ihnen irgendwelche Leute bei der Staatssicherheit bekannt?»
Ich verneinte. Bei den beiden Stasileuten, die mich als Mitarbeiter gewinnen wollten, konnte man nicht von einem Kennen sprechen.
Also hielt ich mich auch in diesem Fall sehr bedeckt. Zum Glück fragten sie mich nicht, ob man versucht habe, mich als IM
anzuwerben. Eigentlich seltsam, dass sie das nicht taten.
Danach wollten sie einiges über Manfred Ewald wissen, den Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbunds, und erfahren, ob
ich etwas zu der Flucht von Lutz Eigendorf sagen könnte, welche Persönlichkeiten ich durch meinen Beruf getroffen hätte, wie
ich deren politische Einstellung einschätzen würde.
Nachdem sie alle Namen durchgegangen waren, die anscheinend |168| in meinen Unterlagen standen, wendeten sie sich allgemeineren Themen zu. So erkundigten sie sich etwa, inwieweit DD R-Fußballvereine mit der Volksarmee und der Polizei verstrickt waren, ob ich bei der Armee gewesen sei, die Truppenübungsplätze in Leipzig
und Berlin kennen würde.
Als ich nach mehreren Stunden entlassen wurde, warteten Jürgen und Norbert schon. Nichts stimmte mich in diesem Moment froher,
als zwei bekannte Gesichter zu sehen, die mir zugrinsten. Sie wussten genau, wie man sich in diesem Moment fühlte.
Zuerst fuhren wir in die Wohnung von Norbert und erzählten uns lustige Erinnerungen, es kam auch das blaue Kneipenauge von
damals zur Sprache. In den Räumen fühlte ich mich sofort wohl, hier lebte ein liebenswerter Chaot. Nach und nach bauten wir
die Fremdheit zwischen uns ab, gingen zum Du über. Irgendwann, der Abend war schon etwas fortgeschritten, sagten beide: «Komm,
wir zeigen dir jetzt das Frankfurter Nachtleben.»
Bester Laune zogen wir um die Häuser und hatten unglaublichen Spaß. Wir lachten so viel, dass ich die Unterredungen mit den
Geheimdiensten wenigstens für einige Stunden vergessen konnte. Erstaunt stellte ich fest, dass wir ohne Schwierigkeiten in
jede Kneipe, in jede Bar kamen und Norbert und Jürgen nicht unbekannt waren. Schließlich landeten wir in einem Club, in dem
es eine besondere Show geben sollte. Das versprachen mir die beiden, mehr aber wollten sie nicht preisgeben. Ich setzte mich,
etwas müde, an den Tresen.
Norbert und Jürgen standen etwas weiter von mir weg, hielten ein Bier in der Hand und
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