Meine zwei Halbzeiten
ganz manierlich aus, hatte sogar ein frischgebügeltes Hemd an.
Letztendlich ging ich zu Fuß. Erst später begriff ich, dass man auf einen Knopf drücken musste, um die Türen zu öffnen.
In dieser Woche führte ich auch ein zweites persönliches Gespräch mit dem DFB, unter anderem mit Hans Paßlack. Ich wurde darüber
aufgeklärt, welche Qualifikationen ich vorzuweisen hätte, um Trainer einer Profifußballmannschaft zu werden. Zunächst müsste
ich die A-Lizenz erwerben, indem ich an einem mehrwöchigen Lehrgang in der Sportschule Hennef teilnahm.
Ich konnte das nur als Hohn empfinden. Viele Spieler der DD R-Nationalmannschaft , die während der Fußballweltmeisterschaft 1974 das BR D-Team schlug, hatte ich mittrainiert – und nun sollte ich eine Art Anfängerkurs belegen. Eigentlich hätte ich das auch so deutlich
sagen sollen, aber ich hielt mich zurück. Ich wollte es mir mit dem DFB nicht gleich verderben.
«Können Sie mir das nicht erlassen?», fragte ich.
Man schüttelte den Kopf und sagte, diese Lizenz sei Voraussetzung, um später den Fußballtrainer-Lehrgang an der Sporthochschule
Köln zu absolvieren.
«Verstehe ich Sie richtig, dass ich den auch noch belegen muss?»
«Ja, er geht ein halbes Jahr. Sie müssen einen Befähigungsnachweis haben, falls Sie einmal einen Bundesligaverein trainieren
wollen.»
Ich musste tief durchatmen. Das kam völlig überraschend. Ich hatte meinen Führerschein ohne größere Probleme erhalten, einen |178| Reisepass, einen Personalausweis sowie die Anerkennung als Diplomsportlehrer, nur meinen Trainerschein wollte man mir nicht
geben. In diesem Moment hätte ich sagen sollen: «Ich habe drüben nicht irgendwelche Amateurmannschaften trainiert, sondern
ich war auf dem Sprung zum Nationaltrainer.» Doch ich ließ es wiederum dabei bewenden.
Man nahm mich nicht auf, wie ich gehofft hatte. Fast erwartete ich schon, dass man mich fragte: «Warum sind Sie nicht drüben
geblieben, Ihnen ging es doch gut? Warum laden Sie sich all die Schwierigkeiten auf?»
Ich begriff schnell, dass der Deutsche Fußball-Bund eine unglaubliche Macht hatte, ein Staat im Staate war, mit ganz eigenen
Gesetzen. Mir wurde bewusst, dass ich erneut in Strukturen gezwängt war, die es mir schwermachten, selbst über meine Wege
zu bestimmen.
Hans Paßlack hatte bemerkt, wie aufgewühlt ich war, und versuchte zu erklären, warum diese erneuten Nachweise nötig seien.
Sonst könne jeder Coach, der aus dem Ostblock komme, sofort im Westen zu arbeiten anfangen. Dem müsse man einen Riegel vorschieben,
aus ähnlichen Gründen hätte man ja auch die einjährige Sperrfrist bei geflohenen DD R-Fußballern eingeführt.
«Ich komme nicht aus dem Osten», warf ich ein. «Ich bin Deutscher!»
Es half nichts, die damalige politische Situation verlangte offenbar dieses Vorgehen. Ohne strikte Regelungen hätte man sozusagen
ein politisches Signal ausgegeben: Spieler, Trainer, kommt rüber in den Westen, hier könnt ihr gleich spielen oder eine Mannschaft
trainieren. Hinzu kam, dass DF B-Präsident Neuberger in internationale Fußballgremien gewählt werden wollte, da durfte er es sich mit den sozialistischen Ländern nicht
verderben.
Also machte ich mich mit dem Gedanken vertraut, die A-Lizenz und danach den Fußballlehrerschein zu erwerben. Im Nachhinein bin ich davon überzeugt, es waren die Vorgaben des DFB, |179| die dazu führten, dass ich die nötige Härte und das Durchsetzungsvermögen entwickelte, um mich in der Bundesliga als Trainer
zu behaupten. Innerlich sagte ich mir, dass ich jetzt erst recht Trainer einer Profimannschaft werden wollte. Ich hatte eine
zusätzliche Motivation bekommen.
Nie verlor ich bei all meinen Aktivitäten die diffuse Angst, dass die Stasi mich kontrollierte. Sie war berechtigt, wie sich
keine Woche später herausstellte.
Es war nach einem Abend, den ich mit Jo Gröschner verbrachte, einem Freund von Norbert und Jürgen, der mir schon in vielen
Dingen geholfen hatte. Zuerst vermutete ich, er sei der Manager der beiden Spieler, doch das stellte sich schnell als falsch
heraus. Jo war ein erstklassiger Verkäufer bei einem großen Unternehmen und hatte sich aufgrund seiner Vorliebe für die Eintracht
um Nachtweih und Pahl gekümmert, seit sie in der Bundesrepublik waren. Ohne ihn hätte auch mein eigener Start im Westen völlig
anders ausgesehen.
Jo hatte mich an dem besagten Abend zu einer Skatrunde in ein Lokal
Weitere Kostenlose Bücher