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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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ganz manierlich aus, hatte sogar ein frischgebügeltes Hemd an.
    Letztendlich ging ich zu Fuß. Erst später begriff ich, dass man auf einen Knopf drücken musste, um die Türen zu öffnen.
    In dieser Woche führte ich auch ein zweites persönliches Gespräch mit dem DFB, unter anderem mit Hans Paßlack. Ich wurde darüber
     aufgeklärt, welche Qualifikationen ich vorzuweisen hätte, um Trainer einer Profifußballmannschaft zu werden. Zunächst müsste
     ich die A-Lizenz erwerben, indem ich an einem mehrwöchigen Lehrgang in der Sportschule Hennef teilnahm.
    Ich konnte das nur als Hohn empfinden. Viele Spieler der DD R-Nationalmannschaft , die während der Fußballweltmeisterschaft 1974 das BR D-Team schlug, hatte ich mittrainiert – und nun sollte ich eine Art Anfängerkurs belegen. Eigentlich hätte ich das auch so deutlich
     sagen sollen, aber ich hielt mich zurück. Ich wollte es mir mit dem DFB nicht gleich verderben.
    «Können Sie mir das nicht erlassen?», fragte ich.
    Man schüttelte den Kopf und sagte, diese Lizenz sei Voraussetzung, um später den Fußballtrainer-Lehrgang an der Sporthochschule
     Köln zu absolvieren.
    «Verstehe ich Sie richtig, dass ich den auch noch belegen muss?»
    «Ja, er geht ein halbes Jahr. Sie müssen einen Befähigungsnachweis haben, falls Sie einmal einen Bundesligaverein trainieren
     wollen.»
    Ich musste tief durchatmen. Das kam völlig überraschend. Ich hatte meinen Führerschein ohne größere Probleme erhalten, einen |178| Reisepass, einen Personalausweis sowie die Anerkennung als Diplomsportlehrer, nur meinen Trainerschein wollte man mir nicht
     geben. In diesem Moment hätte ich sagen sollen: «Ich habe drüben nicht irgendwelche Amateurmannschaften trainiert, sondern
     ich war auf dem Sprung zum Nationaltrainer.» Doch ich ließ es wiederum dabei bewenden.
    Man nahm mich nicht auf, wie ich gehofft hatte. Fast erwartete ich schon, dass man mich fragte: «Warum sind Sie nicht drüben
     geblieben, Ihnen ging es doch gut? Warum laden Sie sich all die Schwierigkeiten auf?»
    Ich begriff schnell, dass der Deutsche Fußball-Bund eine unglaubliche Macht hatte, ein Staat im Staate war, mit ganz eigenen
     Gesetzen. Mir wurde bewusst, dass ich erneut in Strukturen gezwängt war, die es mir schwermachten, selbst über meine Wege
     zu bestimmen.
    Hans Paßlack hatte bemerkt, wie aufgewühlt ich war, und versuchte zu erklären, warum diese erneuten Nachweise nötig seien.
     Sonst könne jeder Coach, der aus dem Ostblock komme, sofort im Westen zu arbeiten anfangen. Dem müsse man einen Riegel vorschieben,
     aus ähnlichen Gründen hätte man ja auch die einjährige Sperrfrist bei geflohenen DD R-Fußballern eingeführt.
    «Ich komme nicht aus dem Osten», warf ich ein. «Ich bin Deutscher!»
    Es half nichts, die damalige politische Situation verlangte offenbar dieses Vorgehen. Ohne strikte Regelungen hätte man sozusagen
     ein politisches Signal ausgegeben: Spieler, Trainer, kommt rüber in den Westen, hier könnt ihr gleich spielen oder eine Mannschaft
     trainieren. Hinzu kam, dass DF B-Präsident Neuberger in internationale Fußballgremien gewählt werden wollte, da durfte er es sich mit den sozialistischen Ländern nicht
     verderben.
    Also machte ich mich mit dem Gedanken vertraut, die A-Lizenz und danach den Fußballlehrerschein zu erwerben. Im Nachhinein bin ich davon überzeugt, es waren die Vorgaben des DFB, |179| die dazu führten, dass ich die nötige Härte und das Durchsetzungsvermögen entwickelte, um mich in der Bundesliga als Trainer
     zu behaupten. Innerlich sagte ich mir, dass ich jetzt erst recht Trainer einer Profimannschaft werden wollte. Ich hatte eine
     zusätzliche Motivation bekommen.
     
    Nie verlor ich bei all meinen Aktivitäten die diffuse Angst, dass die Stasi mich kontrollierte. Sie war berechtigt, wie sich
     keine Woche später herausstellte.
    Es war nach einem Abend, den ich mit Jo Gröschner verbrachte, einem Freund von Norbert und Jürgen, der mir schon in vielen
     Dingen geholfen hatte. Zuerst vermutete ich, er sei der Manager der beiden Spieler, doch das stellte sich schnell als falsch
     heraus. Jo war ein erstklassiger Verkäufer bei einem großen Unternehmen und hatte sich aufgrund seiner Vorliebe für die Eintracht
     um Nachtweih und Pahl gekümmert, seit sie in der Bundesrepublik waren. Ohne ihn hätte auch mein eigener Start im Westen völlig
     anders ausgesehen.
    Jo hatte mich an dem besagten Abend zu einer Skatrunde in ein Lokal

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