Meine zwei Halbzeiten
98 wird ein Trainer gesucht», eröffnete mir Jo Gröschner, während ich noch in Hennef unter Karl-Heinz Heddergott
meine A-Lizenz machte. Für mich war die Information neu. Jede Woche las ich den
kicker
von der ersten bis zur letzten Seite. Selbst jedes verfügbare Sonderheft wurde gründlichst von mir studiert, um über den bezahlten
Fußball im Westen Bescheid zu wissen. In keinem Artikel hatte ich jedoch erfahren, dass bei den «Lilien», wie man die Darmstädter
wegen ihres Vereinswappens nannte, ein Trainerjob zu haben war.
Zögernd sah ich Jo an. «Klar, guter Verein, seit einem Jahr in der Bundesliga. Aber woher weißt du das? Ich habe nichts darüber
gehört, dass der jetzige Cheftrainer dort wegwill.»
«Ich habe da so meine Kontakte.»
«Willst du damit andeuten, dass ich mich da vorstellen soll?»
Die Antwort bestand darin, dass ich zuerst einmal in die Wanne gesteckt wurde. Danach fuhren wir zusammen zu seinem Schwager,
der in Frankfurt ein Friseurgeschäft betrieb. Meine Haare wurden ordentlich und nach modischen West-Ansprüchen zurechtgestutzt,
außerdem bekam ich von Jo eine Krawatte und ein «besseres» Hemd, von einem Freund von ihm ein Paar Lederschuhe und von Norbert
einen sportlich-eleganten grauen Anzug.
«Sag denen, was du alles gemacht hast», instruierte mich Jo, als wir schließlich gemeinsam zu meinem ersten Vorstellungstermin
fuhren. Er hatte ihn für mich arrangiert. «Und dass es für dich nur infrage kommt, Chefcoach zu werden.» Das Gespräch sollte
in Wiesbaden stattfinden, der hessischen Landeshauptstadt. Dort hatte Georg Schäfer, der damalige Präsident der «Lilien» und
Vorsitzender der Toto-Lotto-Gesellschaft, ein Büro.
Es war Anfang Mai 1979, Georg Schäfer erwartete uns. Ich schätzte ihn als einen Mann in den Fünfzigern ein, ein typischer
Macher. Das Gespräch führte er allein. Nachdem ich ihm meinen Lebenslauf erzählt hatte, meinte er: «Tja, einen neuen Co-Trainer
können wir gebrauchen. Der Klaus Schlappner macht ab der |184| nächsten Saison seinen Fußballlehrer in Köln …» Das stand mir auch noch bevor, um überhaupt Profitrainer werden zu können, aber dazu sagte ich in diesem Moment nichts.
«Da verstehen Sie etwas falsch, Herr Schäfer», unterbrach ihn Jo Gröschner. «Der Herr Berger möchte als Cheftrainer arbeiten.»
Deutlicher konnte man es nicht mehr formulieren. Wie ich jetzt feststellen konnte, galt mein neuer Freund nicht umsonst als
jemand, der hervorragend verhandeln konnte.
Schäfer schaute etwas irritiert. Nach einer kleinen Pause sagte er zu mir gewandt: «Dann sind Sie falsch hier. Wir haben bei
Darmstadt Lothar Buchmann als Chefcoach, und der wird uns noch eine Weile erhalten bleiben.»
Gröschner kratzte sich am Kinn. «Vielleicht sollten Sie mal bei Gerhard Mayer-Vorfelder in Stuttgart anrufen. Ich habe gehört,
dass Buchmann schon in der nächsten Saison dort anfangen will.»
«Woher wissen Sie das?» Schäfers Stimme wurde scharf.
Ich sah den beiden Männern zu und war fasziniert über das, was zwischen ihnen ablief. Verhandlungen in dieser Form kannte
ich nicht, hier ging es nicht ums «Delegieren», hier stand Taktieren im Vordergrund.
«Wie gesagt, erkundigen Sie sich bei Mayer-Vorfelder.»
Schäfer ließ sich augenblicklich von einer Sekretärin verbinden. Zum Telefonieren zog er sich in das Nebenzimmer zurück, ließ
aber die Verbindungstür offen. Wahrscheinlich absichtlich, damit wir hören konnten, was geredet wurde.
Das Gespräch war kurz, Schäfer kam zurück und sagte: «An diesem Gerücht ist nichts dran, glatte Lüge. Wir können uns weiter
über einen Posten als Co-Trainer unterhalten, alles andere ist nicht von Interesse.»
«Vielleicht fragen Sie mal Ihren Trainer?» Jo ließ nicht locker.
Schäfer fixierte ihn eindringlich. Er wollte glauben, was ihm |185| der Präsident des VfB Stuttgart mitgeteilt hatte, gleichzeitig musste er etwas geahnt haben, sonst hätte er das beharrende
Nachhaken meines Freundes rigoros beendet.
Mittlerweile war es gegen sechs Uhr, das Training von Lothar Buchmann musste beendet sein. Ein günstiger Zeitpunkt, auch ihn
anzurufen. Da die Sekretärin inzwischen Feierabend hatte, wählte Schäfer eigenhändig die Nummer seines Trainers.
«Ich habe gerade mit Mayer-Vorfelder gesprochen», sagte Schäfer, wieder von dem Nebenzimmer aus. «Wir müssen uns mal an einen
Tisch setzen und uns unterhalten. Ist da eigentlich was dran, was er mir
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