Meine zwei Halbzeiten
erzählt hat?» Schäfer erwähnte nicht, worüber er
mit Mayer-Vorfelder geredet hatte. Aber Buchmann, der seit knapp drei Jahren Cheftrainer in Darmstadt war, hatte anscheinend
nicht die Absicht, sich aus der Affäre herauszureden. Denn wir hörten, wie Schäfer bestätigte: «Aha, der Vertrag ist also
unterschrieben. Gut, dass ich das weiß.»
Als Schäfer uns gegenüber wieder Platz genommen hatte, sagte er: «Wir brauchen doch einen Chefcoach. Wir werden uns zu Ihrer
Person Gedanken machen, Herr Berger. Ich muss das mit meinem Gremium besprechen. Danach melden wir uns bei Ihnen.»
Tatsächlich bestellte er mich für den kommenden Sonntag um elf Uhr zu sich ins Büro, weitere Vorstandsmitglieder sollten anwesend
sein. Wieder zog ich meinen grauen Anzug an – und hoffte, dass dies nicht weiter auffallen würde. Bei diesem zweiten Termin
einigten wir uns darauf, dass ich am 1. Juli 1979 meinen neuen Job als Cheftrainer der Darmstädter antreten sollte – auch wenn zu diesem Zeitpunkt schon feststand,
dass der Verein absteigen würde. Bis dahin trainierte Klaus Schlappner die «Lilien». Da Buchmann den Präsidenten hintergangen
hatte, war er auf der Stelle entlassen worden.
Nachdem ich meinen Zweijahresvertrag unterschrieben hatte, beantragte der SV Darmstadt 98 eine Sondergenehmigung, damit |186| ich überhaupt schon ab Juli die Verantwortung für die Mannschaft übernehmen durfte. Tatsächlich erlaubte mir der DFB, die
nötigen Qualifikationen, also die A-Lizenz und den Trainerschein an der Kölner Sporthochschule, nachträglich zu erwerben, zum nächstmöglichen Termin. Diese Sonderregelung
arbeitete der Notar Karl-Ernst Engelbrecht zusammen mit einem DF B-Beirat aus. In den Medien wurde sie als «Lex Berger» publik. Später wurde es verdienten Nationalspielern mit einem nur sechswöchigen
Kurzlehrgang deutlich leichter gemacht.
Die A-Lizenz sollte ich bald in der Tasche haben. Am Anfang jeder Lehrgangswoche holte mich immer einer der Teilnehmer, ein Schlosser,
in seinem Auto ab. Freitags fuhr er mich oft in die Neu-Isenburger Heinestraße. Dort wohnte Jo, wir verbrachten einen Großteil
unserer Freizeit zusammen.
In Hennef hatte sich ein buntgemischter Haufen versammelt. Die meisten Teilnehmer wollten den Schein nur erwerben, um ihn
bei einem eventuellen Einsatz als Trainer unterklassiger Mannschaften vorweisen zu können. Nur wenige hatten den Ehrgeiz,
wirklich als Proficoach zu arbeiten. Mit meinen Qualifikationen hätte ich dieses oder jenes zum Lehrgang bemerken können,
aber auch hier hielt ich mich zurück. Diese fünf Wochen waren für mich völlig überflüssig, dennoch, ich zog sie durch. Immerhin
hatte ich mir zum Ziel gesetzt, den Kurs als Bester zu beenden – und schaffte das auch mit Jos Unterstützung.
Aus dieser Zeit werde ich eine Begebenheit nie vergessen. Eines Tages hörte ich ein lautes Geräusch, ein Helikopter wollte
auf unserem Trainingsfeld in Hennef landen. Die extremen Vibrationen hatten mich so erschreckt, dass ich mit einem Satz in
einen Busch sprang, um mich zu verstecken. Selbst als der Hubschrauber sich wieder in die Luft erhoben hatte, ließ ich mich
für die nächsten ein, zwei Stunden nicht auf dem Sportfeld blicken. Eine Überreaktion. Ich hatte gedacht, Leute von der Staatssicherheit |187| würden gleich aus dem Heli herausspringen, mich packen und in die DDR entführen. Als ich mich endlich wieder traute, auf den
Platz zu kommen, klärte mich einer der Kursteilnehmer auf – es hatte sich um einen Krankentransport in der Nachbarschaft gehandelt.
Noch in den Wochen, während deren ich in Hennef meine A-Lizenz machte, zog ich in eine Einliegerwohnung in Dreieichenhain – abermals hatte dies Jo ermöglicht. Die Wohnung gehörte einem
Freund von ihm, der zu dieser Zeit im Ausland arbeitete. Ich hatte sogar das Glück, keine Miete zahlen zu müssen. Norbert
und Patricia waren sicher froh, dass sie wieder allein waren. Nie werde ich ihre Hilfsbereitschaft vergessen.
Als ich dann im Juli von den «Lilien» mein erstes Gehalt erhielt, siedelte ich schließlich in die Nähe von Darmstadt um, in
meine erste eigene Wohnung im Westen – und meldete mich beim Sozialamt ab. Es geht aufwärts, jubelte ich innerlich.
Langsam fing ich auch an, Postkarten und Briefe an meine Eltern und meinen Sohn zu schreiben, dabei gab ich aber nicht meine
private Adresse an, sondern die des SV Darmstadt 98. Ich blieb allerdings sehr
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