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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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es sich. Das hat es nicht getan. Ich höre sie heute noch brüllen. Du elender Dreckskerl, du versoffenes Schwein.»
    Er erzählte ihr mit stockender Stimme, wie seine Mutter dann ihn angeschaut und gefaucht hatte:
    «Hör auf zu flennen, du Bastard.»
    Wie sie angefügt hatte:
    «Dich sollte man auf der Stelle erschlagen, damit du einer Frau später nicht das letzte Geld wegsaufen kannst. Du bist genau wie er.»
    Und dann hatte sie verlangt:
    «Komm her!»
    Und er hatte gewusst, dass sie ihn verprügeln wollte. Sie verprügelte ihn immer, wenn sie sich über seinen Vater geärgert hatte. Und sie sagte immer:
    «Komm her!»

    «Es machte ihr Spaß, wenn ich zu ihr kam, erzählte er.
    «Wenn ich mich vorher duckte und die Arme über den Kopf hob, weil ich genau wusste, dass sie mich zuerst auf den Kopf schlug und ins Gesicht. Diesmal nicht. Sie war sich ihrer Sache zu sicher.»
    Eine winzige Pause entstand, als wolle er Greta Gelegenheit für einen tiefen Atemzug einräumen. Nur konnte sie nicht durchatmen. Sie ahnte, was er ihr offenbaren wollte, und hatte wahnsinnige Angst, dass er aussprach, was ich so oft behauptet hatte. Genau das tat er:
    «Sie wischte auf dem Boden herum, dachte wohl, dass ich wie üblich neben ihr stehen bleibe und abwarte, bis sie Zeit findet, mich zu verprügeln. Aber diesmal hatte ich ein Messer. Ich wollte ihr auch einmal wehtun. Dann haben sie meinen Vater dafür eingesperrt. Und er hat sich aufgehängt.»
    Greta wusste nicht, was sie sagen sollte, fühlte seine Finger über ihren Hals streichen, seine Lippen an ihrer Wange und sein Flüstern am Ohr.
    «Jetzt wird dir anders, was? Das kannst du dir nicht vorstellen, aber es war so. Ich habe es getan. Mit vier Jahren. Ich war ziemlich groß und kräftig für mein Alter. Das steht nicht in den Akten, wie groß und kräftig ich war. Und ich habe alles, was ich an Kraft hatte, in meinen Arm gelegt beim Zustechen.»
    Seine Mutter sei so verblüfft gewesen, dass sie nicht reagiert habe, erzählte er. Sie habe sich nicht einmal an den Hals gegriffen, ihn nur angeschaut. Nicht entsetzt, erschreckt oder ängstlich, nur erstaunt. Er kicherte wie unter einer witzigen Erinnerung.
    «Und ich zog das Messer aus ihrem Hals und stieß wieder zu. Ich sah das Blut und konnte nicht aufhören. Ich wollte auch nicht aufhören. Wenn ich aufgehört hätte, bevor sie tot war, hätte sie mich totgeschlagen.»
    Ein tiefer Atemzug strich über Gretas Gesicht. Er sprach weiter wie zu sich selbst, in der Stimme einen verwunderten Unterton, als könne er heute noch nicht glauben, wie leicht es gewesen war. Sie hätten ihn wieder und wieder gefragt. Er meinte wohl die Polizei. Immer wieder habe er ihnen erzählen sollen, wie es gewesen war. Und er habe ihnen immer wieder gesagt, was sie hören wollten. Wie sein Vater auf die Mutter eingestochen hätte, dass er selbst später nur das Messer aus ihrem Hals gezogen hätte. Er sei voller Blut gewesen, und auf dem Messer hätten sich natürlich seine Fingerabdrücke befunden. Außer seinen habe es auf dem Griff nur noch ein paar verwischte gegeben, mit denen sie nichts hätten anfangen können. Aber ihm hätten sie das nicht zugetraut. Wer verdächtigte schon ein kleines Kind, wenn ein erwachsener Mann in der Wohnung war und die ganze Nachbarschaft gehört hatte, wie seine Frau den Mann beschimpfte?
    «Natürlich hab ich den Mund gehalten, flüsterte er.
    «Ich hatte Angst, dass einer von der Polizei mich totschlägt, wenn ich die Wahrheit sagte. Er war immer ein feiges Schwein, Greta. Aber meine Großmutter wusste Bescheid. Sie war seine Mutter und wusste, er hätte keinem Menschen ein Haar krümmen können. Hundertmal hat sie es mir ins Gesicht gesagt, tausendmal. Du warst es, du Bastard. Dann kam sie mit den Kerzen und fragte, mit welcher Hand ich getötet hätte. Und weil ich es ihr nicht sagen wollte, verbrannte sie beide. Danach musste ich durch den Garten laufen und anschließend in den Schweinestall.»
    Er kicherte wieder, hob Gretas Kopf an und schaute ihr ins Gesicht.
    «Und weißt du, was das Komische war? Da habe ich mich wohl gefühlt. Ein Schwein unter Schweinen. Die Tiere taten mir nichts. Wenn mir zu kalt war, konnte ich mich an ihnen wärmen. Nur der Mist machte mir zu schaffen, wegen all der Blasen von den Nesseln. Die habe ich immer aufgekratzt. Manchmal hatte ich die Beine von oben bis unten vereitert. Ich habe keine Haare an den Beinen, Greta. Ist es dir aufgefallen?»

    «Ja, natürlich», sagte sie.

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