Meineid
sie es mir erzählte … Vielleicht, um den Bruch herbeizuführen, um zu verhindern, dass Greta sich einmal an ihre Fersen heftete und herausfand, wie die Maschine mit den vorstehenden Schrauben tatsächlich aussah. Während ich auf Greta wartete, hatte ich bereits mit der Hausverwaltung in Braunsfeld telefoniert und hart verhandeln müssen, ehe man mir zusagte, die Unterlagen über Tess’ frühere Wohnung herauszusuchen. Auskunft geben wollte man mir nur im persönlichen Gespräch und nur, wenn ich mich als Anwalt auswies. Bei der Bank, die Tess’ Konto geführt hatte, würde mir mein Beruf keinesfalls helfen. Ich wollte mit meinen Informationen zu Karreis. Damit schlug ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Für einen Kriminalbeamten stellte das Bankgeheimnis kein allzu großes Hindernis dar, und ich suggerierte Karreis unser Interesse an einer Zusammenarbeit. Greta nickte mehrfach, aber das galt nicht meinen Erklärungen. Sie war mit ihren Gedanken noch auf der Bettkante, hörte Jan flüstern, sah seine vernarbten Beine und die Brandblase auf Tess’ Oberschenkel, spürte den Druck seiner Finger gegen ihre Halsschlagader und den Schwindel im Kopf. Sie hörte Karreis über die Verletzungen reden, die der Gerichtsmediziner bei Tess festgestellt hatte. Verbrennungen im Genitalbereich! Geprügelte Kinder prügeln als Erwachsene. Verbrannte Kinder … Frische Verletzungen hatte Karreis gesagt. Aber konnten sie tatsächlich auf die Stunde genau bestimmen, wie frisch sie waren? War der Unterschied zwischen früher Nachmittag und früher Morgen so groß?
«Ich bin ein Frühaufsteher!, hatte Jan gesagt. Ich verließ die Kanzlei, fuhr nach Braunsfeld. Und Greta saß in ihrem Büro dem Mann gegenüber, den Luis Abeler wegen Kindesmisshandlung vor Gericht bringen wollte. Sie konnte ihrem Mandanten nichts Neues erzählen. Luis hatte sich noch nicht bei ihr gemeldet, wahrscheinlich noch keinen Blick in die Unterlagen geworfen. Es war ihr nicht mehr wichtig. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab zu dem heißen Wachs auf den Händen eines Vierjährigen, zu kleinen, nackten Beinen, die durch brennende Nesseln getrieben wurden, zu der Wärme, die ein hilfloser Junge bei Schweinen suchen musste. Sie dachte an all die Schmerzen, Demütigungen und Verletzungen, die Jan erlitten hatte, und fand allmählich zu sich selbst zurück – und zu ihren Gefühlen für ihn. Ein vierjähriger Muttermörder? Nein, nur ein verzweifeltes Kind, das zurückgestochen hatte. Es war kein Muttermord gewesen, sondern Notwehr. Sie sah ihn schlafend in ihrem Bett liegen, hilflos und schutzbedürftig, hörte ihn fragen:
«Warum gerate ich immer an solche Weiber?»
Barby, Janine. Vielleicht hatte er sich nur seine Wut auf diese beiden von der Seele geschrieben, indem er am Computer tat, wozu er in Wirklichkeit nicht fähig sein konnte. Und Tess, die es vorzog, sich quälen statt lieben zu lassen, aber von wem? Am frühen Nachmittag kam ich zurück. Ich hatte Erfolg gehabt, den sicheren Beweis gefunden, dass Mandys Vater auch in letzter Zeit noch aktuell gewesen war. Aber das hatte Karreis auch nicht angezweifelt, nur hatte er diese Spur übers Wochenende nicht verfolgen können. Bei der Hausverwaltung in Braunsfeld hatte man mir Tess’ Kontonummer gegeben. Karreis hatte das Konto überprüft und keine Einwände erhoben, dass ich ihm dabei über die Schulter schaute.
«Mit dem Motiv Erpressung stehen wir auf wackligen Beinen, begann ich.
«Wenn Tess Geld von Mandys Vater verlangt hätte, dann hätte sie es bekommen. An Geld kann es ihm nicht mangeln.»
Mandys Vater hatte Tess überaus reichlich bedacht. Doch er hatte ihr das Geld anscheinend in die Finger gedrückt. Ihr Girokonto war bereits kurz nach der Hochzeit aufgelöst worden. Sie hatte stattdessen ein Sparkonto eröffnet. Und darauf hatte sie auch in den letzten beiden Jahren noch regelmäßig eingezahlt. Zweitausend Mark jeden Monat! Vor der Hochzeit waren es dreitausend gewesen, die hatte Tess im Laufe des Monats wieder abgehoben. Seit der Hochzeit wurde das Geld nicht mehr angerührt.
«Du wirst es nicht glauben, wenn ich dir den aktuellen Kontostand nenne», sagte ich.
«Um mein Honorar brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Und Jan sich keine Sorgen um die Beerdigungskosten. Er kann sie mit allem Pomp unter die Erde bringen lassen und behält noch ein nettes Sümmchen übrig.»
Der Kontostand hatte mich außer Fassung gebracht. Auch Greta mochte im ersten Augenblick kaum glauben, dass
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