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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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schwierig war, bei Tess zu Wort zu kommen. Vielleicht war sie auch zu stolz, Tess zu erzählen, dass es einen Mann gab, um den sie sich seit Monaten vergebens bemühte. Sich von Tess anzuhören, wie einfach es im Prinzip sei, einen Mann dahin zu bekommen, wohin man ihn haben wolle. Als Teenager hatte Greta sich das anhören können und auf gute Ratschläge gehofft. Da war sie als vermeintlicher Hamster mit Brille neben Tess hergelaufen, weil an deren Seite auch ein bisschen männliche Aufmerksamkeit für sie abfiel. Als Frau brauchte sie das nicht mehr. Ihr wurde genug männliche Aufmerksamkeit zuteil, wenn auch nicht unbedingt in sexueller Hinsicht. Doch dafür hatte sie mich. Und darüber hinaus hatte sie sich einen großen Bekanntenkreis geschaffen, der in der Hauptsache aus Männern bestand. Sogar ein Oberstaatsanwalt war darunter. Luis Abeler. Luis war sozusagen Gretas Lieblingsfeind. Sie hatte ihn kurz nach ihrem Eintritt in die Kanzlei bei meinen Eltern kennen gelernt. Mein Vater und Luis waren seit langem befreundet. Und wie mein Vater hatte auch Luis Abeler auf Anhieb Sympathien für Gretas Ehrgeiz entwickelt. Ihm imponierte vor allem, dass sie dem wenig einträglichen Strafrecht viel Zeit widmete. Eine Zeit, wohlgemerkt, in der sie mit Zivilrecht das Zehnfache hätte verdienen können. Beruflich hatten sie vor zweieinhalb Jahren noch nichts miteinander zu tun gehabt. Aber Greta träumte davon, Luis Abeler eines Tages vor Gericht gegenüberzustehen. Er vertrat nur die großen Fälle. Als Gegner war er gefürchtet. Er neckte Greta gerne mit ihrem Engagement:
    «Ich warte auf den Tag, an dem du deinen ersten richtigen Fall bekommst. Du willst doch einen richtigen Fall, oder? Natürlich willst du. Es juckt dich in den Fingern. Du bist nicht der Typ, der sein Leben auf Möchtegernganoven verschwendet. Warten wir auf deinen ersten Mörder. Dann zeige ich dir, wer von uns beiden der Meister ist.»
    Sie antwortete meist:
    «Sei dir deiner Sache nicht zu sicher, Luis. Einen selbstherrlichen Macho zerpflücke ich mit der linken Hand.»
    Nun konnte man Luis weiß Gott nicht als Macho bezeichnen. Er war Anfang fünfzig, etwas zu klein geraten, ein drahtiges Kerlchen mit einer lebhaften Gestik, was ihm oft als Nervosität ausgelegt wurde. Ständig fuchtelte er mit den Händen herum, geriet dabei auch schon mal auf die Beine seines Gegenübers, vorausgesetzt, es war weiblich. Bei Männern beschränkte er sich auf Schultern und Arme. Das klingt nach einem Grapscher, aber das war Luis nicht. Es war nur seine Aktivität. Er konnte nicht zwei Minuten stillsitzen, fiel anderen ins Wort, wenn die Rede nicht so flüssig ging, wie sie es bei ihm tat. Doch bei aller Hektik, die er um sich verbreitete, war er die Ruhe in Person. Daheim stand er tüchtig unter dem Pantoffel. Hella Abeler war entsetzlich eifersüchtig, was niemand verstand. Hella war eine attraktive Frau mit einer Menge Geld im Rücken. Sie konnte ihrem Mann ein derart angenehmes und sorgenfreies Leben bieten, dass sein eigenes Einkommen für Luis praktisch das Taschengeld darstellte. Und Luis betete sie an. Trotzdem mangelte es Hella offensichtlich an Selbstbewusstsein. Sobald sich ihr Göttergatte in die Nähe eines anderen weiblichen Wesens begab, war Hella zur Stelle. Auch wenn Luis nur neben meiner Mutter stand, Hella ließ ihn nicht für eine Minute aus den Augen. Gretas Partys, es waren meist zwei pro Jahr, Silvester und ihr Geburtstag, versäumte Luis Abeler nie. Fünf Jahre vor dieser verhängnisvollen Neujahrsnacht hatte er Tess bei ihr kennen gelernt. Und es war schon beim ersten Mal amüsant gewesen, die beiden in einer Unterhaltung zu erleben. Tess’ Phantasie und sein Temperament, es war die richtige Mischung für einen gelungenen Abend. Luis war ein exzellenter Menschenkenner, er hatte Tess innerhalb weniger Minuten durchschaut. Jedes Mal, wenn er mit ihr zusammentraf, tat er, als glaube er unbesehen jedes Wort, das sie über die Lippen brachte. Er konterte auf seine Art. Wenn Tess es blendend verstand, ihre Märchen als Tatsachen zu schildern, Luis beherrschte das Spiel ebenso gut. Er verpackte seine ironischen Spitzfindigkeiten in blanke Anteilnahme. Hella und Luis Abeler waren natürlich auch zu Gretas Silvesterparty eingeladen. Luis hätte ihr nie verziehen, wenn sie ihn um einige unterhaltsame Stunden in Gesellschaft ihrer aparten Freundin betrogen hätte. Diese verfluchte Party! Gretas Hoffnungen wuchsen sich in den letzten Dezembertagen zu

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