Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Geliebte als Druckmittel benutzen», sagte ich, als er nicht weitersprach.
    «Oder besser noch als Informationsquelle. Nur spricht der Anwalt mit seiner Geliebten nicht mehr über den Fall, nachdem er bemerkt, dass sie dem Mörder verfallen ist. Für den Anwalt ist es eine dramatische Situation, aber natürlich bleibt er Herr der Lage. Scheinbar gibt er seine Geliebte frei, um endlich einen schlüssigen Beweis in die Hand zu bekommen.»

    «Die Idee reizt mich, meinte Jan grinsend.
    «Ein geistiges Duell zwischen zwei Männern, wobei der Anwalt natürlich den Kürzeren ziehen muss, weil der Mörder noch eine Spur cooler ist.»

    «Dann wird aber nichts aus Ihrer ursprünglichen Idee», sagte ich.
    «Der Anwalt muss gewinnen, sonst gibt es kein Revisionsverfahren.»

    «Da haben Sie auch wieder Recht, stimmte Jan zu.
    «Aber darauf könnte ich zur Not verzichten. Dann wird es sogar noch dramatischer. Der unschuldig Verurteilte begeht Selbstmord, weil sein Anwalt nach dem Verlust seiner Geliebten zum Alkoholiker wird. Die Frau muss natürlich sterben, das ist klar. Ich werde mir das mal durch den Kopf gehen lassen. Und dann fange ich richtig an. Ich habe ein paar Rücklagen, damit kann ich mir ein oder zwei Jahre Pause vom Fernsehen genehmigen. Es wird einigen Leuten nicht gefallen, aber die können mich mal. Man vererbt den Enkeln ungern nur ein paar Videokassetten.»
    Greta wollte etwas sagen, Tess kam ihr zuvor. Sie war aus ihren Träumen erwacht, pustete eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erkundigte sich bei Jan:
    «Habe ich das richtig verstanden, Sie sind Schriftsteller?»
    Jan nickte nur. Tess neigte den Kopf zur Seite. In dieser Pose war sie unwiderstehlich.
    «Sie wirken so bodenständig», sagte sie und betrachtete seine Hände.
    «Gar nicht wie ein Künstler.»
    Er lachte, ob geschmeichelt oder überheblich, könnte ich nicht sagen.
    «So fühle ich mich auch nicht. Aber es können ja nicht alle mit durchgeistigtem Blick herumlaufen.»
    Ich kam nicht mehr dazu, den Dialog wieder aufzunehmen. Greta erhob sich ohne weitere Warnung und rief ein Taxi für Tess und mich. Sie hatte es plötzlich sehr eilig, uns loszuwerden. In der Diele zischte sie:
    «Darüber reden wir noch.»
    Jan blieb bei ihr. Als sie die Tür für uns öffnete, stand er neben ihr, mit einem Arm um ihre Schultern und einem selbstgefälligen Grinsen im Bart. Tess hatte nur die Hälfte mitbekommen und wunderte sich über den abrupten Aufbruch, zu dem wir genötigt wurden. Auf dem Weg nach unten erkundigte sie sich:
    «Was hatte Greta denn plötzlich? Es fing gerade an, gemütlich zu werden.»
    Ehe ich ihr das erklären konnte, verlor sie das Interesse an unserem Rauswurf. Schon im Taxi ließ sie keinen Zweifel aufkommen, dass ihre Entscheidung zu meinen Gunsten ausgefallen war. Leicht melancholisch sann Tess zehn verlorenen Jahre nach und schloss mit der Erkenntnis:
    «Ich weiß, dass es nicht fair war, dich zwei Jahre lang vor der Haustür abzuspeisen und dir auch noch in allen Einzelheiten zu erzählen, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Warum hast du nicht mal ein bisschen Druck gemacht? Hin und wieder brauche ich das.»
    Als ich ihr nicht antwortete, sprach sie weiter – fast mit Gretas Worten. Wir seien beide erwachsen, machten uns keine großartigen Illusionen mehr. Und wenn alle Welt überzeugt sei, dass wir vortrefflich zueinander passten, sollten wir der Welt endlich den Gefallen tun. Ich war nicht in der Stimmung, mich mit ihr auseinander zu setzen. Es prickelte nicht, es brannte nur beim Gedanken an das, was sich jetzt möglicherweise in Gretas Wohnung abspielte. Irgendwann sagte ich:
    «Tut mir Leid, Tess, ich bin keine Notlösung. Ein paar Illusionen brauche ich. Vielleicht weiß ich einfach zu viel über das, was du dir in den Kopf gesetzt hattest. Jedenfalls weiß ich genug, um davon auszugehen, dass du es so rasch nicht aus dem Kopf bekommst.»
    Tess lächelte, verletzt und stolz, gemischt mit mühsam unterdrückter Wut. Aber Letzteres wirkte vielleicht nur so in der Dunkelheit des Wagens. In ihrer Stimme schwangen weder Zorn noch Enttäuschung, nur ein wenig Ironie.
    «Also zahlt Ehrlichkeit sich doch nicht aus.»
    Als sie sich vor dem Haus ihrer Eltern von mir verabschiedete, reichte sie mir nur noch die Hand. Sie lächelte erneut, diesmal war es spöttisch.
    «Dann werde ich wohl nie erfahren, ob Greta bei deinen Qualitäten als Liebhaber übertrieben hat. Schade! Übertreibungen entsprechen eigentlich nicht ihrer

Weitere Kostenlose Bücher