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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Jan zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter.

    «Herr Tinner!»
    Seine Stimme klang neutral, aber es schwang ein Hauch von Schärfe mit. Auch er hatte keinen Erfolg und machte einen zweiten Versuch, fragend diesmal:

    «Herr Tinner?»
    Seine Hand lag immer noch auf Jans Schulter, mit der anderen Hand wedelte Feibert vor Jans Augen. Er beugte sich sogar hinunter und versuchte, Jan ins Gesicht zu schauen. Dann zuckte er mit den Achseln, warf Karreis einen kurzen und Greta einen langen Blick zu.

    «Der Mann ist ja völlig weggetreten.»
    Greta brauchte noch ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass etwas nicht so war, wie es hätte sein sollen. Sie ging ebenfalls zum Waschbecken, schob Feiberts Hand von Jans Schulter, schloss den Wasserhahn und wollte Jan zu sich umdrehen. Ebenso gut hätte sie versuchen können, einen zentnerschweren Schrank zu bewegen.

    «Komm, Jan», sagte sie.

    «Du kannst hier nicht stehen bleiben. Wir gehen nach unten. Die Polizei hat ein paar Fragen an uns.»
    Seine Haut fühlte sich kalt und feucht an. Zuerst dachte sie, er hätte seine Arme unter den Wasserstrahl gehalten, als er unbeobachtet war. Aber seine Hände waren wachsgelb. Das konnte unmöglich nur von der Anspannung herrühren. Die Blässe zog sich auch die Unterarme hinauf. Sein Hemd war ebenfalls feucht. Dort, wo Feibert ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, klebte es auf der Haut. Im Rücken war der Stoff entlang der Wirbelsäule viel dunkler. Es war Schweiß. Kalter Schweiß. Ihr wurde unheimlich. Niemand konnte auf Anweisung schwitzen. Und im Bad war es angenehm kühl. Karreis wurde ungeduldig.

    «Was soll das, Herr Tinner? Machen Sie kein Theater. Sie haben gehört, was Ihre Anwältin sagte. Wir haben vorerst nur ein paar Fragen an Sie. Die werden Sie uns ja wohl beantworten können.»
    Seinen schroffen Ton empfand Greta als Unverschämtheit. Sie wollte ihn zurechtweisen. Feibert kam ihr zuvor, stellte fest:

    «Ich glaube nicht, dass er das kann. Er braucht einen Arzt.»

    «Bringen wir ihn erst mal hier raus, schlug Karreis vor.

    «Wenn er sich hinsetzt, geht es ihm sicher gleich besser.»
    Er klang immer noch gereizt, kam selbst zum Waschbecken, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Aber Jans Hände waren so fest um den Beckenrand gekrampft, dass Karreis Mühe hatte, sie zu lösen. Greta dachte, er würde ihm die Finger brechen. Nachdem er es endlich geschafft hatte, wurde er behutsam, führte Jan auf die Tür zu, weiter über den Flur zur Treppe. Dabei sprach er auf ihn ein in einer warmen, väterlichen Art.

    «Jetzt gehen wir runter und setzen uns …»
    Weiter kam Karreis nicht. Jan, der sich eben noch hatte führen lassen wie ein Schaf zur Schlachtbank, schüttelte den Kopf, seine rechte Hand schoss zur Seite und umklammerte das Treppengeländer. Die Haut in seinem Nacken war grau und feucht, sein Atem ging gepresst, kurze, zittrige Stöße, zwischen denen er nur ein Wort ausstieß:

    «Nein!»
    Er bog den Rücken durch, machte sich steif. Nur sein Kopf flog hin und her, immer wieder, wild und unbeherrscht, unkontrolliert, verrückt. Greta war zwei Stufen hinter ihnen, nahe genug, um Karreis’ Arm von Jans Schulter zu stoßen und Jan zu sich umzudrehen. Sie riss seinen Kopf gegen ihre Brust und hielt ihn mit beiden Händen fest, damit das entsetzliche Schütteln aufhörte.

    «Du musst nicht, wenn du nicht kannst», sagte sie rasch.

    «Ruhig, ganz ruhig, beruhige dich.»
    Karreis betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene. Wie Feibert sich verhielt, sah sie nicht, er stand hinter ihr.

    «Was ist denn los mit ihm?, wollte Karreis wissen.

    «Ich weiß nicht!, schrie Greta. Sie konnte sich Jans Verhalten nicht erklären und war mit ihren Nerven am Ende. Sein Kopf zuckte immer noch in ihren Händen. Sie hörte ihn mit den Zähnen knirschen und wusste: Er stand das nicht durch.

    «Sie haben doch gehört, was Ihr Kollege sagte, schrie sie Karreis an.

    «Er braucht einen Arzt! Rufen Sie einen Arzt.»
    Karreis winkte mit einer Hand ab.

    «Schon gut. Ich habe verstanden. Der Herr Mandant ist für uns tabu.»

    «Er ist nicht mein Mandant!, schrie Greta.

    «Er ist mein Freund. Und die Tote da draußen war meine Freundin seit dreißig Jahren! Wir sind zusammen zur Schule gegangen.»
    In dem Augenblick brach etwas in ihr zusammen. Es war zu viel. Sie konnte es nicht länger von sich fern halten. Diesmal hatte Tess sich nicht an vorstehenden Schrauben im Fitnessstudio verletzt. Und sie würde sich nie wieder an

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