Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
sie zu dem Zeitpunkt schon ausgeprägt waren, verschwanden sie nicht wieder völlig. Greta hätte hinausgehen und sich den Nacken ansehen müssen. Das schaffte sie nicht. Tess anfassen, ihr Haar hochheben, allein der Gedanke schüttelte sie. Da hoffte sie lieber, dass Jan die Leiche schon nach kurzer Zeit gefunden und umgedreht hatte, sodass sich keine Flecken gebildet haben und bei der Polizei Fragen aufwerfen konnten. Jan zuckte noch einmal mit den Achseln. Seine Stimme klang heller und ein wenig schrill.

    «Ich weiß es wirklich nicht mehr. Aber wir können sie ja wieder umdrehen.»

    «Bist du verrückt!, fuhr sie ihn an.

    «Das Polster muss voller Blut sein, und sie hat nicht einen Kratzer auf dem Rücken. Es bleibt alles, wie es ist. Wir haben sie so gefunden. Du hast ihren Oberkörper angehoben und wieder zurückgelegt. Hast du mich verstanden?»
    Er nickte, blinzelte und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn.

    «Deine Hände», sagte sie.

    «Du hast kein Blut an den Händen.»
    Er sprach immer noch mit dieser hellen, schrillen und unsicheren Kinderstimme.

    «Ich hab sie gewaschen, nachdem ich dich angerufen hatte.»

    «Das können wir nicht so lassen. Geh hinaus und …»
    In dem Moment schrie er, stampfte mit dem Fuß auf:

    «Nein! Nein, ich geh nicht hinaus! Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht. Ihr Weiber habt wirklich Nerven wie Drahtseile. Aber ich steh das nicht durch. Verschwinde. Mach, dass du wegkommst! Los, los, los.»
    Sein Gesicht verzerrte sich, die Augen quollen vor. In diesem Augenblick wirkte er wie ein Irrsinniger. Er wedelte mit den Händen, als wolle er ein paar Spatzen verscheuchen, und schrie dabei weiter:

    «Lügen und betrügen, ihr könnt das, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hab gedacht, du wärst anders. Aber du bist auch nicht besser als Tess. Eine dreckige, verlogene Schweinebande seid ihr. Barringer hatte Recht. Man sollte alle Weiber zum Teufel jagen. Hau ab, Greta, ich will …»
    Sein Ausbruch kam für sie überraschend. Sie konnte nicht sofort reagieren. Aber dann war sie mit zwei Schritten bei ihm, versetzte ihm einen leichten Schlag gegen die Wange und legte ihm gleichzeitig eine Hand auf den Mund.

    «Was willst du?, fragte sie leise und eindringlich.

    «Willst du ins Gefängnis? Kannst du dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn so ein stinkender Kerl über dich herfällt? Und nicht nur einer, da sind viele. Alle wollen eine Frau, aber es gibt keine Frauen. Dann suchen sie sich einen Ersatz. Einen, der sich nicht wehren kann, einen Neuen wie dich. Du kannst es dir vorstellen, nicht wahr? Ich weiß, dass du es kannst.»
    Er starrte sie an, machte nicht einmal den Versuch, ihre Hand von seinem Mund zu nehmen. Nach einer Ewigkeit nickte er.

    «Gut», sagte sie.

    «Dann vergiss es nicht eine Sekunde lang. Und jetzt reiß dich zusammen. Dir kann nichts passieren. Halte dich an das, was ich dir eben gesagt habe, und überlass alles andere mir. Ich habe dich noch nie belogen, oder? Ich werde dich auch nie belügen. Nicht dich, nur die anderen. Für dich! Und du wirst auch lügen. Es ist leichter, als du denkst. Jetzt beruhige dich. Wo hast du dir die Hände gewaschen?»
    Als sie ihre Hand fortnahm, murmelte er:

    «Oben.»
    Sie ging mit ihm hinauf ins Bad. Auf dem Lichtschalter dort waren die Abdrücke von blutigen Fingern. Im Waschbecken entdeckte sie ein paar verwässerte Blutspritzer. Sie drehte den Wasserhahn auf, nicht sehr weit, damit der Strahl nicht sämtliche Spritzer fortspülte. Dann stellte sie Jan vor das Becken, hielt seine Hände kurz unter den Strahl und legte sie anschließend zu beiden Seiten auf den Beckenrand. Er ließ es geschehen.

    «So bleibst du stehen», sagte sie.

    «Egal, was passiert, egal, wer dich anspricht, du rührst dich nicht und gibst keine Antwort, auch nicht, wenn ich dich frage. Hast du mich verstanden?»
    Er hatte den Kopf gesenkt. Nicht einmal ein Muskel in seinem Gesicht zuckte noch, es war wieder völlig leer. Greta nahm an, er habe sie verstanden und spiele seine Rolle brillant. Sie ließ ihn im Bad zurück, ging hinunter und überlegte, ob sie mich anrufen sollte. Dass ich um halb drei noch mit Tess telefoniert hatte, wusste sie nicht. Sie ging davon aus, dass ich mich nur wegen unseres Streits nicht von ihr verabschiedet und die Kanzlei so überstürzt verlassen hatte. Und informieren musste sie mich früher oder später. Das da draußen waren nicht ein paar Seiten Papier, die sie rasch

Weitere Kostenlose Bücher