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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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verschwinden lassen konnte, wenn ich auf der Bildfläche erschien. Weil sie nicht wollte, dass ich sie zu Gesicht bekam. Weil sie wusste, wie ich darüber dachte. Mich anrufen! Lieber früher als später. Weil ich sonst sofort auf die Idee käme, dass sie etwas vertuscht hatte, sich erst eine Version zurechtlegen musste, die ich akzeptieren konnte. Es war eine schwierige Entscheidung. Wenn sie mir erklärte, dass sie die Kanzlei kurz nach mir verlassen und zu Jan und Tess gefahren war, das musste ich glauben. Wohin zog es eine Frau, wenn sie verletzt und beleidigt wurde? Zu Freunden! Wenn sie mir erzählte, dass sie bei Jan und Tess in eine heftige Auseinandersetzung geplatzt war, daran durfte ich auch nicht zweifeln. Und dass sie wie eine Glucke die Arme um Jan gelegt und den Ärmsten vor der tobenden Tess in Sicherheit gebracht hatte – ich würde die Zähne zusammenbeißen, sie mit einem Blick voller Verachtung strafen und nicken. Das Problem war der erste Satz. Tess ist tot! Das Problem waren die Gefühle, die Greta mir unterstellte. Ich mochte noch unzählige Male behaupten, zuletzt habe Tess mir nur noch gedient, sie zur Räson zu bringen und zur Heirat zu bewegen. Das durfte ich meiner Mutter erzählen, nicht Greta. Sie hatte es von Tess immer anders gehört. Und nach Tess’ Version hatte ich vor zwei Jahren nichts anderes getan als Greta; ich hatte mit blutendem Herzen verzichtet, eine Frau gehen lassen, die mir lange Zeit als die Frau schlechthin erschienen war. Aber Tess war mir nie gleichgültig geworden. Den letzten Beweis dafür hatte ich Greta kurz nach Mittag geliefert mit meinem großzügigen Angebot, mich an den Kosten zu beteiligen, wenn sie Jan verließ. Sie hatte Angst, wahnsinnige, grausame Angst, wusste nicht, ob sie das Richtige tat und getan hatte. Jans bisheriges Verhalten und der heftige Ausbruch waren ihr nicht geheuer. Wie er reagierte, wenn ihm Polizei oder Staatsanwalt etwas härter zusetzten, stellte sie sich lieber nicht vor. Sie hatte auch Angst vor mir und meinen Verdächtigungen. Es war davon auszugehen, dass ich die Polizei sofort über meinen hirnrissigen Verdacht in Kenntnis setzte und einen Mann, der schon genug gelitten hatte, mit Fragen zu seiner Vergangenheit quälen ließ. Aber sie brauchte mich. Niemand konnte zwei Herren dienen. Sie konnte nicht Jans Alibizeugin sein und ihn gleichzeitig rechtlich vertreten, sich selbst noch weniger. Das musste ich übernehmen, falls es notwendig werden sollte. Und das konnte es schnell werden, das wusste sie. Es sagte sich leicht:

    «Du warst bei mir.»
    Wenn zwei Menschen sich einig waren, gab es keine Probleme. Aber konnte sie sich auf Jan verlassen? Sie musste der Polizei die Tür öffnen. Sie musste sie zu Tess führen. Und schon dabei musste sie sagen:

    «Wir sind um halb elf zurückgekommen.»
    Wir! Und dann würden sie Jan fragen. Und wenn er wieder die Nerven verlor? Sie hatte das Gefühl, vor einem Berg zu stehen oder vor einem Abgrund. Selbst wenn Jan durchhielt … Wie sie da allein im Wohnzimmer saß und auf die Polizei wartete, den Kopf krampfhaft in Richtung Diele gedreht, um nicht auf die hellerleuchtete Terrasse schauen zu müssen, fand sie genügend Zeit, über Dinge zu stolpern, die sie vorher nicht bedacht hatte. Jetzt zermarterte sie ihr Hirn. War sie gesehen worden, als sie die Kanzlei verließ? Oder als sie heimkam? Ihre Wohnung lag im vierten Stock. Sie war mit dem Aufzug hinaufgefahren. Allein! Das wusste sie mit Sicherheit. Sie hatte zwar ihre Gedanken nicht beisammengehabt, aber wenn der Aufzug irgendwo zwischen der Tiefgarage und dem vierten Stock gehalten hätte, wenn jemand zugestiegen wäre, daran hätte sie sich erinnern müssen. Von dem Moment an, wo sie ihre Wohnung betreten hatte, gab es nur noch einen Zeugen, den Pizzaboten. Sie hatte ihn bei der Tür eilig abgefertigt, weil ihr plötzlich bewusst geworden war, wie sie aussah. Dabei konnte durchaus der Eindruck entstanden sein, dass im Wohnzimmer jemand auf sie wartete. Und Tatsache war, er hatte zwei Portionen gebracht. Aber vorher – irgendein dummer Zufall auf dem Heimweg. Ein paar Minuten warten vor einer roten Ampel. Der Fahrer aus dem Wagen nebenan wirft einen gelangweilten Blick zur Seite. Da fällt ihm das völlig versteinerte Bündel Frau im dunkelblauen Mercedes auf. Die Ampel springt auf Gelb, auf Grün, das Schaltgetriebe am Mercedes kracht, als ob der erste Gang mit dem Hammer eingeschlagen würde. Dann stirbt auch noch der Motor ab.

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