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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Hinter dem Mercedes ertönt das übliche Hupkonzert. Die Frau am Steuer schreckt zusammen, tippt sich unbeherrscht gegen die Stirn. Das prägt sich ein. Und später liest man etwas in der Zeitung, sieht vielleicht sogar ein Foto und erinnert sich: Die habe ich gesehen an dem Abend. Das war die, die ihren Wagen nicht von der Stelle brachte. Aber sie war allein. Oder in der Tiefgarage! War jemand vor ihr oder hinter ihr hineingefahren? Hatte jemand sie beim Aussteigen beobachtet? Oder später auf dem Flur vor ihrer Wohnungstür beim Aufschließen? Sie wusste es nicht, weil sie nicht darauf geachtet hatte. Und das alles in doppelter Ausführung, es galt für den Heimweg von der Kanzlei ebenso wie für den Weg zu Jans Haus. * Zwanzig Minuten nach ihrem Anruf erschienen zwei uniformierte Beamte, beide noch sehr jung. Sie warfen nur einen raschen Blick auf die Terrasse, gingen nicht näher an die Liege heran, stellten keine Fragen. Einer postierte sich an der Haustür, der zweite bewachte die Tür im Wohnzimmer, die hinaus auf die Terrasse führte. Er stand da wie ein Militärpolizist in einem alten Kriegsfilm mit unbewegter Miene, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Allein durch seine Anwesenheit zwang er Greta, ständig in Richtung Tür und Panoramafenster zu schauen. Sie konnte das nicht, obwohl sie von der Couch aus nur das Licht sah, ging hinauf ins Bad, um nach Jan zu sehen. Er stand unverändert vor dem Waschbecken. Ein kurzer Test, laut genug, dass der Junge bei der Haustür sie hören musste:

    «Wie fühlst du dich, Jan? Geht es dir etwas besser? Willst du nicht herunterkommen?»
    Keine Reaktion. Das beruhigte sie ein wenig. Er schien sich gut unter Kontrolle zu haben und an die Absprache zu halten. Sie verließ das Bad, ging bis zum oberen Treppenabsatz. Von dort aus konnte sie sowohl ins Bad als auch hinunter in die Diele schauen. Erst als sie draußen einige Wagen vorfahren hörte, ging sie wieder hinunter. Sie rückten im Tross an, Spurensicherung, ein Gerichtsmediziner und zwei Ermittler. Den älteren kannte Greta. Er hieß Karreis. Sie waren sich einmal vor Gericht begegnet, er als Zeuge der Anklage. Greta war nicht eben gnädig mit ihm umgesprungen und hatte für ihren Mandanten einen Freispruch erreicht. Karreis war weit in den Fünfzigern. Ein Mann, der es nicht geschafft hatte, die Karriere zu machen, die ihm irgendwann einmal vorgeschwebt haben mochte. Ein guter Mann zweifellos, aber verbittert – vor allem, wenn das Gericht Männer in die Freiheit entließ, die er festgenommen hatte. Dass er nicht gut auf sie zu sprechen war, lag auf der Hand. Den jüngeren Mann in seiner Begleitung kannte Greta nicht. Doch seine Miene machte deutlich, wer er war. Der scharfe Hund, der wache Verstand, der sich von niemandem etwas vormachen ließ. Er war höchstens Anfang dreißig, stand gerade am Beginn seiner Laufbahn. Sein Name war Feibert. Auch Karreis und Feibert warfen nur einen kurzen Blick hinaus. Draußen gehörte das Revier erst einmal der Spurensicherung und dem Gerichtsmediziner. Greta hatte sie noch nie bei der Arbeit erlebt. Männer wie einem Sciencefiction-Film entstiegen in ihren weißen Schutzanzügen. Karreis forderte sie auf, das Wohnzimmer zu verlassen, damit seine Leute auch dort ihre Arbeit tun konnten. Sie gingen ins Esszimmer. Feibert schloss sich ihnen an. Greta umriss die Situation in groben Zügen – vorsichtig und vage. Sie musste die Verzweifelte nicht spielen, war so aufgewühlt, dass ihre Hände zitterten, dass sie sich, ohne es zu wollen, unentwegt auf die Lippen biss. Von dem Valium, das sie Stunden zuvor genommen hatte, war nichts mehr zu spüren. Aber sie ließ sich auch immer nur die Sorte mit der niedrigsten Dosierung verschreiben. Valium zwei, statt fünf oder zehn. Karreis ließ nicht erkennen, was er von ihrer Erklärung hielt. Er nickte nur flüchtig und fragte:

    «Der Mann ist oben?»

    «Ja.»

    «Dann holen wir ihn mal. Er kann uns bestimmt mehr erzählen.»
    Sie begleitete die beiden Männer hinauf. Jan stand unverändert vor dem Waschbecken. Für ihr Empfinden hielt er sich hervorragend, ein Stein hätte es nicht besser machen können. Kein Mucks, kein Blinzeln, kein Zucken, als Karreis ihn aufforderte:

    «Kommen Sie, Herr Tinner. Mit Händewaschen sind Sie doch bestimmt fertig.»
    Jan zeigte keine Reaktion. Karreis betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Er war bei der Tür stehen geblieben und machte keine Anstalten, weiter ins Bad hineinzugehen. Feibert trat auf

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