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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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Bett« – das Ehepaar schläft seit einiger Zeit wieder gemeinsam.
    Am Freitag dieser Woche holt Kutscher Kückelmann »Lützow« aus Berlin, am Sonnabend reitet HG ihn zum ersten Mal in der Halle – »der braucht noch Arbeit« –, am Wochenende legt sich der Mann mit schwerer Erkältung ins Bett (»›Kampf um Rom‹ gelesen« – das ist Felix Dahn, ein richtiger Grippe-Schmöker), am Montag fährt er in die Fabrik nach Nienburg an der Weser, und so weiter. Was habe ich denn erwartet? Daß HG den Überfall auf Julius Leber, Chefredakteur des »Lübecker Volksboten« und Reichstagsabgeordneter der SPD, zur Kenntnis nimmt, der in der Nacht zum 31. Januar von SS-Leuten mit Messerstichen schwer verletzt wird? In derselben Nacht werden sieben Leute ermordet. Soll HG aufhorchen, weil Hitler beim Betreten der Reichskanzlei zu Protokoll gibt: »Keine Macht der Welt wird mich jemals lebend hier wieder herausbringen«?
    HG hört erst wieder von Hitler am 10. Februar, als der den Wahlkampf eröffnet – es wird schon wieder gewählt am 5. März, angeblich das letzte Mal. Da hält Hitler eine Rede im Berliner Sportpalast – »deutsches Volk, gib uns vier Jahre Zeit und dann richte und urteile über uns«. Hitler schließt seinen Aufruf mit der Gewißheit, daß »die Millionen, die uns heute hassen, hinter uns stehen und mit uns dann begrüßen werden das gemeinsam geschaffene, mühsam erkämpfte, bitter erworbene neue deutsche Reich der Größe und der Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen«. Auch Gertrud sitzt mit am Kamin und hört Radio. Sie »ist empört, läßt sich nicht beruhigen«. Daß jemand das Vaterunser für Wahlkampfzwecke mißbraucht, hat es allerdings noch nicht gegeben. HG: »Vater und ich sehr skeptisch«.
    HG am 28. Februar 1933: »Alarmnachricht aus Berlin, der Reichstag von Kommunisten gestern in Brand gesteckt und fast ausgebrannt! Was wird nun kommen?« Was kommt, ist die Schließung der Parteibüros der KPD, »Schutzhaft« für alle Abgeordneten und Funktionsträger der Partei, eine Notverordnung »zum Schutze von Volk und Staat«, die Vorläuferin des Ermächtigungsgesetzes. Verhaftet werden Carl von Ossietzky, Herausgeber der »Weltbühne«, die Schriftsteller Erich Mühsam und Ludwig Renn, der »rasende Reporter« Egon Erwin Kisch, der Rechtsanwalt Hans Litten. Bertolt Brecht flieht mit seiner Familie nach Prag, der Verleger Samuel Fischer ist schon weg. In Preußen sind 47 höchste Verwaltungsbeamte vom Dienst suspendiert, der langjährige Ministerpräsident Otto Braun geht in die Schweiz, KPD-Führer Ernst Thälmann wird festgenommen. Goebbels in seinem Tagebuch: »Es ist wieder eine Lust zu leben.«
    HG notiert am 4. März 1933, das ist ein Samstag: »Theo Delbrück kommt um 11 Uhr 02. Mittags ›Lützow‹ geritten, wieder Kontor. Im Radio Wahlredenhochflut. 7 Uhr abends großer Fackelzug durch die Stadt, ›Tag der erwachenden Nation‹ – reichlich viel Schmus«. Hitlers Rede aus Königsberg wird über alle Rundfunksender übertragen, sie endet mit dem niederländischen Dankgebet – »Wir treten zum Beten« –, dazu läuten die Glocken des Königsberger Doms. Am nächsten Tag ist Reichstagswahl – die NSDAP, erstmals aus den Schatullen der Großindustrie reichlich alimentiert, erringt 288 von 647 Mandaten, 17 Millionen 280 Tausend deutsche Menschen haben sie gewählt. Hitlers »Legalitäts-Konzept« ist aufgegangen. HG zitiert Caesar: »Alea iacta est« – der Würfel ist gefallen.
    Montag, 6. März: »Die Woche der deutschen Gegenrevolution fängt an, zunächst ohne daß wir es hier merken. Im Kontor viel Arbeit, mittags ›Lützow‹ in der Bahn geritten, nachmittags wieder Kontor, abends zu Hause. Der Rundfunk wird als erstes ganz nationalsozialistisch.« Dienstag, 7. März: »Politisch geht es folgerichtig weiter: Reichskommissare der Nazis zunächst in Hamburg, Bremen, Hessen, Baden, Württemberg. Abends Tischordnung für unsere Gesellschaft morgen abend gemacht. Vater die Möglichkeit eines neuen Enkelkindes mitgeteilt – er ist selig.« Soll ich erzählen, was es mit den Reichskommissaren auf sich hat? Das ist etwa so, als setzte heute die Bundesregierung eine Landesregierung ab und schickte einen Bundes-Statthalter. Das kann sie nicht laut Verfassung. Hitlers Reichsregierung konnte das. Die Länder werden »gleichgeschaltet«.
    Mittwoch, 8. März: »Früh um 8 Uhr wird durch SA und Stahlhelm auf dem Rathaus Schwarzweißrot und die

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