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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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Hakenkreuzfahne gesetzt – ein tiefbedeutendes Symbol – dabei äußerlich alles ruhig. Abends 17 Gäste bei uns, offizielle Sache, aber doch ganz nett.« Was reden die bei Morchelsuppe und Lammrücken und italienischem Rotwein? Sind sie noch unbefangen, oder geht die Angst schon um? Machen sie Witze über diese braunen Kraftprotze, oder müssen sie fürchten, daß die Schlägertrupps auch zu ihnen ins Haus kommen wie überall im Land? HG hat endlich seine Fahne wieder, ist ihm jetzt wohler? Beide Fahnen zusammen sollen die »ruhmreiche Vergangenheit des deutschen Reiches und die kraftvolle Wiedergeburt der deutschen Nation« symbolisieren, hat Hindenburg beim Fahnen-Erlaß gesagt. Ist für HG nun alles wieder gut?
    Freitag, 10 März: »Im Kontor sehr viel Arbeit. Die ganze Stadt hat schwarzweißroten Flaggenschmuck, in Berlin und einigen anderen Städten verbrennt man Schwarzrotgold. Dabei ist alles erstaunlich ruhig. Abends eine wilde Rede von Göring im Rundfunk.« Sonnabend, 11. März. »Vorm. Kontor, nach Tisch ›Lützow‹ zum 1. Mal draußen geritten, dabei ein Mal runter gefallen. Abends mit Else in einer Theatervorstellung der Garnison im Elysium: ›Halberstädter Soldaten von 1650 bis heute‹. Glänzende Vorführungen, Fanfarenmärsche. Hinterher mit Hinrichs bei der SS«. Da ist sie wieder, die Begeisterung für Fanfarenmärsche, ob auf dem Markusplatz in Venedig oder im Elysium in Halberstadt, für Paraden in Königsberg oder auf dem Domplatz ganz früher, wenn am Sedanstag die halbe Stadt zu Pferde unterwegs war. Aber heute ist HG erwachsen – ich kann ihm nicht folgen.
    Montag, 13. März: »Erst Kontor, um 11 h 02 per Bahn nach Berlin. Dort nachmittags Besprechung mit Klemm von der Kalichemie, hinterher bei der Getreidekreditbank«. Hindenburg ernennt Joseph Goebbels zum Minister für Volksaufklärung und Propaganda. Dienstag, 14. März: »10 h zur S.E.G.« – das ist die Saatgut-Erzeugungs-Gesellschaft, wo HG im Aufsichtsrat sitzt – »der Süßlupinenvertrag ist unterschrieben. 11 h mit Hertha« – das ist eine der vielen Damen – »Rundflug über Berlin. 12 h 22 wieder ab nach Halberstadt – die Regierung hat 3 Tage Flaggen befohlen. Die Friedensstraße heißt jetzt wieder Hohenzollernstraße«. Der neue Innenminister Wilhelm Frick fordert die Länderregierungen auf, »die Zuwanderung von Ausländern ostjüdischer Nationalität abzuwehren und Eingewanderte möglichst zu entfernen«.
    HG am 21. März: »Großer ›nationaler Festtag‹ – Reichstagseröffnung in der Potsdamer Garnisonkirche. Lt. Verordnung von Goebbels müssen alle Geschäfte schließen. Radio-Übertragung des Festaktes durch Lautsprecher auf dem Holzmarkt. Reden von Hindenburg und Hitler. Wir arbeiten im Kontor bis mittags, der Feiertag paßt eigentlich nicht in die stärkste Saison. Abends großer Fackelzug durch die beflaggten Straßen der Stadt. Ob nicht jetzt etwas reichlich viel gefeiert wird?« Am nächsten Tag: »Reichstag jetzt in der Kroll-Oper. Das große Ermächtigungsgesetz ist angenommen, nun ist freie Bahn für das ›Dritte Reich‹.«
    Allmählich wird HG unruhig. 29. März: »Heute findet die erste Versammlung der neuen Stadtverordneten statt. Die Magdeburgerstr. wird ›Hindenburgstraße‹, die Klusstr. ›Adolf Hitler Straße‹. Abends zu Hause Briefmarken geklebt, das lenkt etwas ab von der aufpeitschenden Politik«. 30. März: »Wie ein dunkler Schatten liegen die politischen Dinge über allem: ausländische Greuelhetze, deutscher Abwehrboykott gegen die Juden. Abends eine Stunde beim alten Jacobsohn, der mir unendlich leid tut. Keine Lösung«.
    »Greuelhetze« – das sind die scharfen Proteste in der ganzen Welt gegen die Pogrome der letzten Wochen. Hitler hat deshalb für den 1. April, »Schlag 10 Uhr«, seinen Parteigliederungen als »Rache« einen allgemeinen Boykott »gegen das Judentum« befohlen, gegen »jüdische Geschäfte, jüdische Waren, jüdische Ärzte, jüdische Rechtsanwälte«. Chef der Aktion ist Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Kampfblattes »Der Stürmer« und Vorsitzender des »Zentralkomitees der NSDAP zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze«. Und Jacobsohn? Der ist HGs Kollege im Arbeitgeberverband. Kurz vor Weihnachten 1932 finde ich ihn noch als Gastgeber eines »sehr vergnügten Abends« im Tagebuch, »wir sind da immer wieder gern«.
    Als die Barbarei losgeht, ist HG in Berlin: »Ab 10 h offizieller Judenboykott mit lieblichem

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