Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
Vom Netzwerk:
im stillen schon an ein bestimmtes Regiment, das an einer Stelle liegt, wo es leicht wäre, sich auszuzeichnen, noch leichter seine Pflicht zu tun. Aber erst bitte ich natürlich um Deine Ansicht.«
    Der weiß doch, was auf ihn zukäme. Das eigene Leben riskieren für ein lächerliches Stück Blech, das hier in der litauischen Pampa nicht zu holen ist? Da sind die Vettern gefallen, sein Lieblingsfreund aus der Junkerschule in Döberitz, Horst von Rosenberg, dessen Tod HG fürchterlich umtreibt. Trotzdem steht bei ihm dann immer wieder dieser blödsinnige Satz »Dulce et decorum est pro patria mori« (süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben). Das ist schon bei Horaz Quatsch. »Decorum« – ehrenvoll – mag ja sein. Vielleicht. Aber dulce – süß? Seit wann ist es süß, auf einem regennassen, durchgepflügten Schlachtfeld an einem Bauchschuß zu krepieren? HG setzt noch einen drauf. »Der Glückliche!« steht in solchen Fällen in seinen Briefen. Der spinnt. Aber Kurt war ja genauso.
    Jetzt nicht mehr. Jetzt horcht er aus HGs Pflicht- und Kraft-Gedröhn heraus, was der Junge eigentlich will: Litzen, Spangen, Ärmelstreifen. Und das erlaubt er ihm nicht. Er könne ihm nachfühlen, daß er das E.K.I erwerben und bald Offizier werden möchte. Aber: »1. zweifelt niemand an Deinem Mut und an Deinem Diensteifer. Du hast das bei Riga und nachher bewiesen. 2. Das E.K.I ist ein erstrebenswertes Ziel, aber nicht so sehr, daß dahinter alle anderen ruhigen Erwägungen zurücktreten dürfen.« Bravo, Kurt.
    »3. Du hast bei Deinem Regiment durch Dein Blut bewiesen, daß Du Dein Leben für’s Vaterland zu geben bereit bist. Wenn Dein Regiment wieder eingesetzt wird, dann wirst Du es wieder tun, und wenn Gott es so will, dann werden wir Eltern uns Seinem Willen beugen und selbst das Schwerste tragen. Wenn ich mir aber vorstelle, daß ich Dir meine Einwilligung gegeben hätte, Dich ohne jede Notlage (!), ja ohne moralische Notwendigkeit dem jetzt bevorstehenden Kampf im Westen, der furchtbar werden wird, auszusetzen und Dir passierte etwas, Du würdest vielleicht zum Krüppel, vielleicht blind geschossen, dann würde der Gedanke, daß ich das hätte verhindern können, mich nie zur Ruhe kommen lassen. 4. Bedenke nur immer, lieber Junge, daß Du nicht Berufssoldat bleiben wirst, sondern daß Dich noch eine sehr große und auch schöne Aufgabe bei der alten Firma Deiner Väter erwartet, die Du nicht im Stich lassen darfst.«
    Muß ich mich jetzt empören, weil der Vater den Elternwunsch vor den Wunsch des Sohnes stellt? Als HG Kind war, ging das ähnlich: »Du sollst Deinen Eltern Freude machen.« Muß ich wüten, daß er HG die militärische Karriere vermasselt, aber eben auch seinen möglichen frühen Tod? Ich bin jetzt mal nett und behaupte einfach, daß Kurt sich etwas dabei gedacht hat, als er HG sagte, deine Meldung auf die Schlachtfelder im Westen ist nicht gut für uns, die Eltern. Hätte er gesagt, HGs hirnrissige Idee sei nicht gut für ihn, den Sohn, hätte das Bürschchen endlos darauf herumgeritten, daß er schließlich erwachsen sei. So hat er dem Vater gehorcht, wie immer. Ich finde das in Ordnung. Und auch noch weitsichtig. Denn wenig später geht es tatsächlich »los« im Osten. Die Baltendeutschen, seit Kriegsbeginn von Rußland drangsaliert, werden befreit, erst die russische Armee, dann Lenins rote Garden geschlagen. Und HG ist dabei und wird endlich Leutnant. Aber vorher muß noch anderes erzählt werden.
    Daß HG die Familie zu Hause mit Lebensmitteln versorgt zum Beispiel. Mit seinem Putzer Armutat streift er über die litauischen Dörfer und kauft, was er kriegen kann. Zu Gertruds Geburtstag Ende Januar kommt eine Kiste mit Kalbfleisch, einer Gans, Butter, Kommißbrot, Mehl, Tee und Dörrgemüse. HG lernt es und hat dafür meine volle Bewunderung, Eier so zu verpacken, daß sie fast immer heil bleiben. Er wickelt 30-Pfund-Schinken und ganze Speckseiten in fabrikneue Scheuertücher und alte Kopfkissenbezüge und schießt mit einer erbeuteten Jagdflinte Hasen, die auch des Fells wegen in Halberstadt begehrt sind.
    Land und Leute lernt HG kennen auf seinen Patrouillenritten: »Gestern geriet ich in eine Leichenfeier. Die Leiche, eine alte Frau, lag in der sauber ausgefegten Stube aufgebahrt. Drumherum standen vier sauber weiß gedeckte Tische mit den erlesensten Speisen – Schinken, Speck, Kartoffeln, Kapuste (Sauerkraut), Brot, Butter u.s.w. Dazu gab es Alaus, das ist ein fabelhaftes

Weitere Kostenlose Bücher