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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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selbstgebrautes Bier. Ich mußte mehr davon trinken, als mir lieb war, denn es enthält sehr viel Alkohol und ist von entsprechender Wirkung. Alle Panjes kamen mit tiefer Verbeugung und ihrem ›Nastroviak, Pani!‹ auf mich zu. Überhaupt schoben sie mir ganz gegen meinen Willen so eine Art Vorsitz bei der Feierlichkeit zu, während sie meine drei Dragoner kaum beachteten. Komisches Volk.«
    »Zum Schluß kam der Leichenkuß, gegen den ich mich aber entschieden sträubte, was glücklicherweise auch ihr Verständnis fand; und der allgemeine Trosteskuß, den ich zum Teil mitmachte, weil eine Menge sehr niedlicher Paninkas da war. Dann wurde die Leiche unter fürchterlichem Klagegeschrei auf den Schlitten gelegt und der Kirchendiener brauste allein mit ihr los. Alles andere fing sofort zu tanzen an. So ein richtiger Krakowiak ist doch was ganz anderes als unsere deutschen Tänze; das klickt und klackt, klatscht und klirrt, daß es eine Freude ist. Die Mädels sahen ganz reizend aus in ihren bunten Kostümen. Wir germanski soldieri waren natürlich gesuchte Tänzer, und auch ich, ›pan Unteroffizier‹, mußte oft genug dran glauben, obgleich ich mit den einfachen Panjes eigentlich nicht gern tanze, weil es die Disziplin schädigt.«
    Die Disziplin – gemeint ist wohl das Fraternisierungsverbot für die deutschen Truppen. Warum eigentlich, wenn das doch alles deutsches Gebiet bleiben soll? HGs Disziplin im Hinblick auf Mädchen ist ohnehin ein heikles Thema: »Auf einer Patrouille in tiefem Schnee entdeckte ich in einem Waldwärterhäuschen eine ganz märchenhaft hübsche saubere Polenjungfrau, die sehr nett zu mir war. Stellenweise ist es allerdings fast nicht mehr schön, wie sich die Weiber hier an unsereinen herandrängen in ihrer einfachen, tierischen Not nach dem Manne!«
    Das hätte er wohl gern, und es würde ihm sicher gut gefallen, den Wohltäter zu spielen. Vater Kurt ahnt den Tripper: »Nun habe ich die Stelle auf der Karte gefunden, wo Du die Gegend nach hübschen Polenmädchen abpatrouillierst. Daß Du dabei eine ›saubere‹ gefunden hast, nimmt mich Wunder. Oder meinst Du das nicht im buchstäblichen, sondern im übertragenen Sinne des Wortes? Ich habe eine reingewaschene Polenjungfrau meines Erinnerns nicht getroffen. Im übrigen sieh Dich bloß vor! Ich habe traurige Sachen gesehen, während ich draußen war. Na, darüber weißt Du ja Bescheid.«
    »Männlicher Druck« macht dem jungen Mann zu schaffen. Er betreibt Sport, nimmt kalte Bäder, reitet bis zur Erschöpfung und schreibt dem Vater: »Du wirst doch auch aus Erfahrung wissen, daß in meinem Alter der Körper dringend solche Ablenkung gebraucht, und auch so verlangt er noch oft genug schreiend nach Entspannung.« Das ist dem vielbeschäftigten Vater denn doch eine geklaute Bürostunde wert, und er antwortet: »Deine körperlichen Nöte verstehe ich vollkommen und kann sie Dir nachfühlen. Sie werden gesteigert durch das reichliche Essen und dadurch, daß Du keine ausreichende Beschäftigung hast.«
    »Ich habe in Deinen Jahren die Erfahrung gemacht, daß man durch Umgang mit jungen Mädchen aus guten Kreisen am leichtesten in der Enthaltsamkeit in venere« – im Fleische – »unterstützt wird. Dabei spielen auch die Freuden in bacho eine entscheidende Rolle. Mußt Du noch so viel trinken? Das sollte mir leid tun, denn das Trinken regt den Körper auch mächtig auf. Gute Lektüre unterstützt die Gedankendisziplin wesentlich. Turnen und Sport allein tun’s nicht. Auch Ablenkung der Gedanken von allem Erotischen ist nötig. Dann kommst Du über solche Anfechtungen hinweg, die auch den heißblütigen Luther heimsuchten und ihn zum Tintenfaßwurf gegen den Versucher veranlaßten. Für den Körper ist Enthaltsamkeit in venere keinesfalls schädlich; da helfen schon die natürlichen Pollutionen. Also sei auch in dieser Beziehung tapfer und stark. Du wirst dann später um so dankbarer sein, wenn Du Vater einer gesunden Kinderschar sein wirst, was Gott mich noch erleben lassen wolle. Herzlichst – Dein Alter, der Dir immer ein Freund sein will.«
    Kurt geht ein auf den Junior so wie früher bei den gesprächigen Morgenritten. HG fragt Anfang Januar: »Wovon leben wir eigentlich jetzt, Vater? Du gibst doch sicher monatlich Hunderte aus, Mutters Ausgaben gehen sicher in die Tausende, und mir gibst Du auch noch 300 monatlich. Von Deinem Rittmeistergehalt geht das nicht, und wie ist es mit dem Geschäft? Wirft das in diesen schweren Zeiten

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