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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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ist, bis die Freikorps sie zusammenschießen, eine friedfertige, irgendwie gutmütige Revolution ohne Lynchjustiz und Tribunale. Es gibt kaum Tote, es wird nicht geplündert, und wenn die revoltierenden Soldaten und Arbeiter den Offizieren Kokarden oder Rangabzeichen abreißen und auf öffentlichen Gebäuden die rote Fahne hissen, so ist das schon der Gipfel der Ausschweifung.
    Kurt in Magdeburg seufzt in sein Kriegstagebuch: »So ist denn das Schreckliche zur Tatsache geworden: Der Zusammenbruch, die Revolution ist da und nicht mehr aufzuhalten!« Mehr jammert er nicht, und er bekommt die Situation am 9. November ziemlich schnell in den Griff. Als »marodierende Fußartilleristen, Säbel schwingend – meist entwendete Offizierssäbel« in die Kriegsamtstelle eindringen, läßt er sie in sein Besprechungszimmer führen und am Verhandlungstisch Platz nehmen. Er empfiehlt, daß sie einer nach dem anderen reden sollen, »denn in dem Durcheinander könne ich nichts verstehen«, und läßt eine Anwesenheitsliste rumgehen. Sein Adjutant werde ein Protokoll anfertigen, »wie das bei allen wichtigen Konferenzen in der Kriegsamtstelle üblich sei«.
    Die verdutzten Revolutionäre erklären, der Soldatenrat habe verlangt, daß alle militärischen Einrichtungen den Betrieb einzustellen hätten. Kurt: »Ich erwiderte, daß die Kriegsamtstelle, obwohl militärisch aufgezogen, wirtschaftliche Fragen zu bearbeiten habe, die keine Unterbrechung erleiden dürften, und schob ihnen einen Berg Akten hin, aus denen sie sich selbst überzeugen könnten, daß hier weitergearbeitet werden müsse. Sie waren ratlos, und einer gab die Akten an den anderen weiter.« Das war’s dann, und in dem Protokoll steht wenig später, daß »die Abgesandten des Soldatenrats Magdeburg sich überzeugt hätten, daß die Kriegsamtstelle in ihrer Arbeit nicht gestört werden dürfe«. Damit werden weitere Trupps schon am Eingang abgewimmelt, und die Revolution ist hier zu Ende.
    Die höheren Chargen im Magdeburger Generalkommando tun sich schwerer. Zwei Generäle hatten sich von den Sitzungen mit dem Soldatenrat der Stadt befreien lassen, weil sie fürchteten, in den Verhandlungen mit Unteroffizieren die Contenance zu verlieren. Kurt hat diese Probleme nicht, auch keine damit, daß er von einem Tag zum anderen in Zivil ins Büro geht: »Ich werde der Bande da draußen keinen Vorwand liefern.« Er bekommt einen Vertrauensmann des Arbeiter- und Soldatenrats an die Seite gestellt, einen Gewerkschaftsführer namens Bauer vom Holzarbeiterverband, dem er jeden Morgen mit ausgesuchter Höflichkeit die anstehenden Probleme vorlegt. Verstört sagt der Mann jedes Mal: »Machen Sie nur alles so, Herr Rittmeister, wie Sie es für richtig halten. Es ist ja ein Glück, daß die Herren alle weiterarbeiten. Uns wäre das alles über den Kopf gewachsen, und das Chaos wäre ausgebrochen« – schreibt Kurt.
    Auch in Halberstadt kommt es nicht wirklich zu revolutionären Exzessen. Auf dem Dach des Stabsgebäudes der 27er Infanterie-Division weht eine kleine rote Fahne, eine Bäckerei hat den hungrigen Demonstranten ihren Vorrat an Brot ausgeliefert und der Belag für die Stullen ist in Heines Wurstfabrik geklaut worden. Der Arbeiter- und Soldatenrat nennt den Mundraub am nächsten Tag in der »Halberstädter Zeitung und Intelligenzblatt« einen »bedauerlichen Vorgang«, der »sich nicht wiederholen« werde. Fett gedruckt wird außerdem verkündet: »Das private Eigentum jedes Bürgers und jeder Bürgerin muß unangetastet bleiben!« So nett kann Revolution sein.
    In der ersten Stadtverordneten-Sitzung danach herrscht ebenfalls business as usual. Vorsteher Kurt, trotz ständiger Abwesenheit immer neu in dieses Amt gewählt, ist eigens aus Magdeburg angereist – das erste Mal seit vier Kriegsjahren sitzt er diesem Gremium wieder vor. In einer programmatischen Rede schwört er die Kollegen Stadtväter mit einem Satz Friedrich Eberts auf das Kommende ein: »In diesem Saale sind viele, denen es schwer werden wird, mit den neuen Männern zu arbeiten, die das Reich zu leiten unternommen haben.« Und weiter: »Viele von uns sind ihrer ganzen Erziehung nach geneigt, den Blick in die Vergangenheit zu richten – in die Zukunft muß er mit ganzer Festigkeit gerichtet werden!«
    Deshalb müsse es jetzt ganz normal um die Erledigung des Tagwerks gehen, und das tun die Herren dann auch: Die Abfuhrgebühren für Fäkalien werden erhöht, die Zwangsbewirtschaftung bei Ziegelsteinen

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