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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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des Hügels anhäuften und das Trinkwasser verseuchten, beschloss man, künftig jedes Jahr ein Opferfeuer auf dem Marktplatz zu entfachen, um das Ritual in zivilisiertem Rahmen zu zelebrieren.
    Damals lebten in Segendorf gerade einmal dreihundert Menschen. Natürlich gab es Scheunen und Kuhställe und Jauchegruben, den Schuster gleich neben dem Kramladen, dahinter die Schlachterei und nicht viel weiter die Schmiede; natürlich gehörte zu Segendorf westlich wie östlich das Hochmoor, südlich die steilen Felswände der Alpen und nördlich die einzige Straße, die ins Dorf führte (und auch dort endete), und natürlich auch der Wolfshügel gleich hinter der Dorfgrenze,
auf dem eine Eiche ihre Äste ausstreckte, unter denen jedes Frühjahr Frauen geschwängert wurden. Aber für jemanden, der nur an die Wahrheiten einer Landkarte glaubt, existierte Segendorf überhaupt nicht. Der Ort hatte sich seit seiner Gründung kaum verändert. Noch immer erzeugte man Licht mithilfe von Schwefelhölzern, Kerzen oder Fackeln, scheuerte man die Wäsche im Moorbach, war die nächste Gemeinde einen Zehn-Tages-Marsch entfernt. Vom Ersten Weltkrieg erfuhr man erst, nachdem er verloren war.
    1912 versammelten sich die Dorfbewohner wie jedes Jahr auf dem Marktplatz, bildeten eine spiralförmige Schlange und warfen einer nach dem anderen etwas, das ihm am Herzen lag, auf einen brennenden Scheiterhaufen aus aufgeschichtetem Reisig. Die Flammen speisten schmatzend und belohnten ihr Publikum mit Wärme und Licht.
    In derselben Nacht wurde in der Getreidekammer, dem nach der Kirche größten Gebäude Segendorfs, ein Geheimnis gezeugt. Zwischen prall gefüllten Säcken mit Hafer, Weizen, Mohn und Gerste, die im Halbdunkel Torsi glichen, erkundete der vierzehnjährige Josfer Habom mit seinen Lippen den Körper seiner Schwester Jasfe, und obwohl beiden unerträglich heiß war, zitterten sie, als herrschte klirrende Kälte.
    Meinen Eltern sagte man nach, kein Segendorfer könne sich mit ihrer Schönheit messen. So aufreizend war Jasfes Augenaufschlag, so markant Josfers Grübchenkinn, man lud sie nie auf Hochzeiten ein, um zu verhindern, dass Braut oder Bräutigam es sich noch einmal anders überlegten.
    Anne-Marie Habom, meine Großmutter, war bei der Geburt der Geschwister gestorben, und mein Großvater Nick Habom, einer von vielen Jägern in Segendorf und ein wesentlich unattraktiverer Mann, kümmerte sich lediglich darum,
dass genügend Essen auf den Tisch kam und die beiden ein warmes Bett zum Schlafen hatten. Nie verlor er mehr Worte als unbedingt nötig. Dafür respektierte man ihn. Trotz seiner zwergenhaften Statur war Nick ein Mann, der den Leuten als großgewachsen im Gedächtnis blieb. Viele behaupteten, die senkrechte Falte zwischen seinen Augenbrauen spalte nicht nur seine Stirn, sondern trenne auch die Bereiche, in die er Menschen aufteilte: solche, die er mochte   – und den Rest, zu dem er auch seine Kinder zählte. Erst vor Kurzem hatte er Josfer die Nase gebrochen, weil dessen Hand beim Waschen zwischen die Schenkel seiner Schwester geglitten war   – »Ihr fasst euch nicht an!« Seitdem hatte Josfer einen Schönheitsmakel. Was nichts daran änderte, dass Nicks Härte die beiden enger zusammenschweißte. Zwar wagten sie es nicht, sich ihm zu widersetzen, und hielten, wie er befohlen hatte, ihre Hände tunlichst voneinander fern, jedoch nutzten sie jede zweisame Minute, um heimlich ihre bleichen Körper aneinander zu reiben. Bis sie gerötet waren.
    In der Nacht des dreihundertsechsundachtzigsten Opferfestes stahlen sich beide davon und eilten zur Getreidekammer. Niesend entkleideten sie sich in der staubigen Luft, banden sich die Arme auf dem Rücken zusammen und streichelten einander mit den Füßen, liebkosten sich mit der Nase und provozierten mit der Zunge. Sie dufteten nach Holunderbeeren und Weihwasser und im Westwind gelüfteten Daunenkissen.
    Am nächsten Morgen überkam Jasfe eine freudige Erregung. Während draußen ein warmer Wind die Asche der verkohlten Liebsten Besitze auf dem Marktplatz auseinandertrieb, grau-schwarze Windhosen durch Gemüsegärten wirbelte, Augen entzündete und Fensterscheiben mit rußiger
Schmiere bedeckte, spürte Jasfe unter ihrem Bauchnabel ein angenehmes Kribbeln, das sich verdichtete und nicht mehr wich, als würde Josfer sie an dieser Stelle immerfort küssen.
     
    In den Monaten darauf verbarg Jasfe ihren anschwellenden Schwangerenbauch vor neugierigen Augen. Die Angst vor ihrem Vater

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