Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Zimmers Nummer 17 nicht hermetisch geschlossen und mit einem Polsterbelag versehen gewesen wäre, der es verhinderte, daß ein Geräusch von innen nach außen dringen konnte.
Hier thaten nämlich zwei Männer, oder wenigstens einer derselben, ihrem Unmuthe keinen Zwang an, sie sprachen sehr laut, fluchten und stießen Drohungen aus, wie sie nur der ärgste Zorn eingeben kann. Der zweite sachte den ersten zwar zu beruhigen, doch das wollte ihm, so viel Mühe er sich darum auch gab, nicht recht gelingen.
Uebrigens hätte wahrscheinlich niemand von diesem Zwiegespräch etwas verstanden, denn es wurde in türkischer Sprache geführt, die ja im Abendlande nicht viel bekannt ist. Von Zeit zu Zeit fielen dazu freilich auch einzelne französische Worte, ein Beweis, daß die beiden Streitenden recht wohl sich in der hiesigen Landessprache hätten ausdrücken können.
Im Kamin loderte ein lustiges Feuer, und eine, auf einem Tischchen stehende Lampe beleuchtete verschiedene Papiere, die unter einem großen abgenützten Portefeuille halb versteckt lagen.
Der eine der Männer war Ben Omar – mit getäuschtem Gesicht und gesenkten Augen stierte er in die Flammen des Kamins, die weniger Gluth ausstrahlten, als die Augen seines Gefährten.
Dieser war die exotische Persönlichkeit mit wildem Ausdruck und unruhiger Haltung, der der Notar ein unbemerkbares Zeichen gemacht hatte, als Meister Antifer und er am Ende des Hafens miteinander sprachen.
Und dieser Mann wiederholte zum zwanzigsten Male:
»Du hast also keinen Erfolg gehabt?…
– Leider, Excellenz, doch Allah ist mein Zeuge…
– Ich brauche kein Zeugniß, weder von Allah noch von sonst jemand! Es ist Thatsache, daß Dein Versuch gescheitert ist.
– Zu meinem größten Bedauern.
– Der Malouin, den der Teufel rösten möge… (diese Worte wurden französisch gesprochen) hat es abgeschlagen, Dir den Brief auszuliefern?
– Ja, ganz bestimmt.
– Oder ihn Dir zu verkaufen?…
– Dazu war er bereit.
– Und Du hast ihn nicht gekauft, Unseliger?… Er ist nicht in Deinen Händen, und Du trittst mir hier entgegen, ohne ihn mitzubringen?
– Wissen Sie, was er dafür forderte, Excellenz?
– Nun, was liegt daran?
– Fünfzig Millionen Francs!
– Fünfzig Millionen…«
Und wieder flogen die Verwünschungen aus dem Munde des Aegypters wie die Kanonenkugeln einer Fregatte, die von beiden Seiten zugleich feuert. Dann – während er seine Kanonen von neuem lud – fuhr er fort:
»Der Seebär weiß also, Du Schwachkopf von einem Notar, welche Bedeutung diese Geschichte für ihn haben kann?
– Er mag es wohl vermuthen.
– Möge ihn Mohammed erwürgen… und Dich dazu! schrie der zornsprühende Mann, der mit schnellen Schritten im Zimmer auf und ab ging, oder vielmehr, was Dich angeht, werd’ ich ihm die Mühe abnehmen, denn ich mache Dich verantwortlich für alles Unglück, das aus der Geschichte entsteht.
– Und doch ist es mein Fehler nicht, Excellenz!… Ich war in die Geheimnisse Kamylk-Paschas nicht genügend eingeweiht.
– Du hättest sie aber kennen, hättest sie ihm entreißen müssen, während er noch lebte, Du, als sein Notar, konntest und mußtest es können!«
Wiederum spien die Stückpforten ganze Breitenlagen von Flüchen hervor.
Dieser schreckliche Mann war niemand anders als Saouk, der Sohn Murads, jenes Vetters von Kamylk-Pascha. Er zählte jetzt dreiunddreißig Jahre. Nach dem Ableben seines Vaters der einzige Erbe seines reichen Verwandten, wäre ihm dessen ungeheures Vermögen zugefallen, wenn dieses seinen habgierigen Händen nicht entzogen gewesen wäre. Der Leser weiß, warum und unter welchen Verhältnissen das geschah.
Wir erzählen hier – nur ganz kurz – die Ereignisse seit der Zeit, wo Kamylk-Pascha Aleppo verlassen hatte und seine Schätze mitnahm, um diese in den Eingeweiden eines unbekannten Felsens zu verbergen.
Einige Zeit nachher, im October 1831, hatte Ibrahim mit zweiundzwanzig Kriegsschiffen, die dreißigtausend Mann Truppen brachten, Gazza, Jaffa und Caissa erobert, und auch Saint Jean d’Acre war im folgenden Jahre am 27. März in seine Hände gefallen.
Es schien also, als ob Palästina und Syrien der Herrschaft der Hohen Pforte entgiltig entrissen werden sollten, als die Einmischung der europäischen Mächte den Sohn Mehemet Ali’s in seinem Siegeszuge aufhielt. Im Jahre 1833 wurde den beiden Gegnern, dem Sultan und dem Vicekönig, der Vertrag von Kataye aufgenöthigt, nach dem die Sachen im
Status quo
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