Meister der Assassinen
Laura war erstaunt, wie gut sie durchhielt. Sie hatte in den vergangenen Wochen also doch einiges an Training erfahren. Vergnügt stellte sie fest, dass es ihr Spaß machte, und sie fühlte sich beinahe wie daheim.
Der Abstand zu den Vorstürmern verringerte sich zusehends. Noch konnten sie es nicht zugeben, aber ihnen ging ordentlich die Puste aus. Die langsamer Gehenden hielten gut mit, und am überraschendsten war der Dickliche, der neben der Frau ging.
Leider konnten sie nicht abschätzen, wie weit es noch war. Laura war ein wenig beunruhigt, wenn sie der sinkenden Sonne nachsah. Andererseits hielt sich das Licht hier oben länger, also könnten sie es schaffen.
Der höchste Gipfel des Olymp zeigte das schönste »Alpenglühen«, der Schnee schien zu brennen, aber auch die kahlen Hänge darunter erstrahlten glutrot. Alles in allem ein atemberaubender Anblick, den Laura tief in sich speicherte. Es würden andere Zeiten kommen, da sie darauf zurückgreifen musste, um sich bei der Stange zu halten.
Nichts hier oben deutete darauf hin, in welcher Gefahr das Reich schwebte oder dass ein Usurpator grausam herrschte. Laura konnte verstehen, warum sich jemand für immer in die unberührbaren Höhen zurückzog. Es war schon reizvoll - aber nur für ein paar Tage, höchstens Wochen. Dann musste sie wieder nach unten hinein in den Trubel und ins Leben. Sie war viel zu jung, um Asketin zu werden: Erst einmal gehörte das Leben ausgekostet!
Falls es noch eines gab - aber daran arbeitete sie ja. Energisch drängte sie den Gedanken zurück. Je näher »der Termin« rückte, desto mehr musste sie daran denken, ob sie wollte oder nicht. Wahrscheinlich war es gerade an diesem Ort wichtig, sich nicht davon ablenken zu lassen.
Endlich machte der Weg einen Knick, und es ging parallel zum Hang entlang. Ein wenig Erholung für die Oberschenkelmuskeln und die Lungen gleichermaßen. Die Strecke verlief zwischen Geröll und Felsen, und für einen kurzen Moment konnten sie oben an einer vorspringenden Kante ein Stück der Festungsmauer erkennen. Noch ein gutes Stück entfernt, aber es sah zu schaffen aus.
Dann ging es wieder linksherum und weiter im Zickzack, noch einmal steil; dann überwanden sie einen Grat und erreichten ein weiteres Hochtal, das ebenso vollständig abgeholzt und landschaftlich zerstört worden war.
Das zweite Camp stach mit weißen Zelten und einer bunten Fahne, die hoch oben an einem Stab befestigt war, aus der Eintönigkeit hervor. Ansonsten unterschied es sich in nichts von dem anderen Basislager unten. Solide Steinhütten derjenigen, die den Betrieb hier führten, Zelte der Glücksritter, mehr oder minder schäbig, und offene Lager an großen Feuerstellen, die soeben entfacht wurden. Das Holz dafür musste inzwischen angeliefert werden - ein enormer Aufwand. Aber der Meister ließ es sich wohl etwas kosten, neue Anwärter anzulocken.
In den letzten Strahlen erreichten sie das Camp und freuten sich auf ein wärmendes Feuer, denn es wurde empfindlich kühl. Alle waren außer Atem, an die dünnere Luft mussten sie sich erst gewöhnen.
Hier ging es bedeutend stiller zu, es wurden keine großen Reden mehr geschwungen. Einige der Glücksritter wirkten inzwischen ernüchtert und nachdenklich. Laura fand das gar nicht schlecht. Hier hatte man noch einmal Zeit, darüber nachzudenken, ob man einer romantischen Vorstellung folgte oder einem ernsten Ansinnen.
Wie unten auch gab es ein größeres Haus, in dem sich alle versammelten, um etwas zu sich zu nehmen. Diejenigen, die es sich nicht leisten konnten, blieben draußen am Feuer und verzehrten ihre mitgebrachten Vorräte.
Die Versorgung war allerdings erschwinglich - und dafür bekam man das Übliche: Eintopf, Brot und getrocknete Früchte. Das Bier war dünn, mit nur wenig Alkohol, es löschte den Durst ausgezeichnet und weckte die Lebensgeister wieder.
Yevgenji organisierte ihnen eine günstige Übernachtung in einer der Steinhütten - gänzlich ohne Komfort, nicht mehr als Strohlager, aber sie konnten ein Kohlebecken zum Wärmen mitnehmen, und ein paar Decken lagen bereit.
»Alle zusammen in einer Hütte, das wird lustig!«, rief Finn. »Schnarchen und Liebesgeflüster sind allerdings verboten.« Er sah Laura und Milt streng an, die ihn links und rechts knufften, dass er seine Sachen beinahe fallen ließ.
»Ich werde morgen Muskelkater haben«, ächzte Milt, als sich jeder von ihnen mit einer Schale Eintopf in der einen und Bier in der anderen Hand an einem
Weitere Kostenlose Bücher