Meister der Assassinen
Dolch zurückzuholen, und keiner wird mich daran hindern. Schon gar nicht ein blöder Ausdruck der Wirklichkeit! Also bitte. In diesem Reich? Du machst mir keine Angst!«
Das unförmige Schattengesicht näherte sich ihr, mit den riesigen runden Löchern als Augen und dem zahnlos grinsenden Mund. »Ich kenne den Mop«, flüsterte es und sabberte auf ihr Gesicht.
Laura würgte vor Ekel. »Der bist du nicht!«, schrie sie. »Und jetzt runter von mir!«
»Du willssst mir alssso kein Angebot machen?«
»Doch: Pack dich!«
Laura bäumte sich auf, sie hatte genug. Keine Spielchen, keine Manipulationen mehr, und sie ließ sich nicht ausnutzen. Sie schaffte es, sich zu drehen, das Monster abzuschütteln, und dann rannte sie los, vorwärts, so schnell sie konnte.
Und da, endlich, sah sie es heller werden, und die Konturen von Felsen zeichneten sich ab.
Sie hörte, wie das Schattenmonster hinter ihr herjagte, es keuchte und knurrte, doch sie wusste, es konnte sie nicht erreichen. Sie ließ es nicht zu. Mit einem Schrei durchbrach Laura die Grenze zwischen Dunkel und Licht und stand draußen, und da waren die Festung, die Mauer und die Treppe, die hinaufführte.
18
Das Ziel
ist erreicht
E s waren nur ein paar Stufen, eine ganz einfache, lächerliche Steintreppe, die hervorragend ausgebaut war. Also anders als bei vielen Tempeln wie etwa in Angkor, wo man zwecks Demut sehr schmale und sehr hohe Stufen hinaufklettern sowie über sehr hohe Schwellen durch einen sehr niedrigen Einlass beinahe kriechen musste. Das hier war demnach die leichteste Übung.
Zehn Stufen? Zwölf?
Laura blieb stehen. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und war so erschöpft und müde, dass ihr nach Weinen zumute war. Der Lauf zuletzt hatte ihr die letzten Kräfte geraubt, nun war sie am Ende. Sie hatte immer noch Kopfweh von der dünnen Luft. Die Wasserbehälter waren lange geleert, sie hätte das Drei- bis Vierfache davon gebraucht. Und ausgerechnet dieser bequeme Weg erschien ihr jetzt völlig unüberwindlich. Alles tat ihr weh, und sie hatte keine Kraft mehr. So kurz vor dem Ziel war sie nahe daran, aufzugeben. Genug, vermittelte ihr Körper, bis hierher und nicht weiter.
Sie setzte sich auf die erste Stufe und schöpfte erst einmal Atem, versuchte sich zu beruhigen. Es waren schon ganz andere an diesen berühmten letzten Metern gescheitert - allen voran Hannibal, der als Erster mit einem Heer die grausamen Alpen überquert hatte, nur um dann vor den Toren Roms zusammenzuklappen. Sie würde sich also in eine berühmte Riege einreihen.
Das Schlimmste dabei wäre, dass ihre Freunde, allen voran Milt, ihr nicht einmal böse wären und keine Vorwürfe machen würden. Schließlich hatten sie weit vorher aufgeben müssen. Aber das Letzte, was Laura brauchte, waren Mitleid und Verständnis. Ja, ja, du armes kleines, beschränktes, minderbemitteltes Hascherl, dir kann man keinen Vorwurf machen, wenn gestandene Männer versagen ...
Wütend wischte sie eine Träne weg. Keiner würde es laut sagen, aber alle würden es denken. In jedem Mann steckte so ein Macho, selbst in Finn? War selbst bei den gestandenen Kerlen eine testosterongesteuerte Selbstbestätigung.
Und zu Recht würden sie so denken, sagte eine andere Stimme in ihrem Inneren, die sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Innistìr gehört hatte. Dein Selbstmitleid ist unerträglich. Sitzt da und greint! Nach alldem!
Nach alldem. Ja. Das stimmte. Sie war doch schon oben, verdammt noch mal! Die anderen hatten es nicht geschafft, sie aber! Also: Wo lag das Problem?
Da kamen die letzten Nachzügler, drei an der Zahl, sahen sie auf der Treppe sitzen, und so erschöpft sie selbst sein mochten, sie gönnten sich diesen mitleidigen und herablassenden Blick. Es tröstete sie über ihre eigene Erschöpfung hinweg. Anderen geht es noch schlechter als mir.
Jetzt hast du, was du wolltest, giftete die Stimme. Zufrieden?
Sie presste die Lippen zusammen. Es reicht.
Diese drei waren langsamer gewesen als sie! Und glaubten jetzt, besser zu sein? Nur, weil sie gerade auf der Treppe verschnaufte? Dachten sie darüber nach, wie sie da oben überhaupt in Erscheinung treten würden? Verschwitzt, hochrot im Gesicht, fix und fertig! Laura hingegen, jawohl, die hatte sich soeben ausgeruht und war nun wieder frisch; ein wenig mit den Fingern durchs Haar, das Gesicht abgerieben, die Kleidung abgeklopft und glatt gezupft - so, und nun ging es weiter.
Zehn Stufen? Zwölf? Lächerlich. Der
Weitere Kostenlose Bücher