Meister der Assassinen
Kameras, die überall hingen. Auch nach draußen. »Ich habe euch die ganze Zeit beobachtet. Wie kannst du nur so dämlich sein und bei so einer blöden Mutprobe mitmachen?«
»Die haben gesagt, alle machen es ...«
»Ach Quatsch, keiner von denen ist je hier rein. Die haben dich reingelegt, Mädchen! Und du bist dumm genug, bei so etwas mitzumachen. Weißt du, was Hausfriedensbruch bedeutet?«
»Aber ich wollte doch gar nichts stehlen, nur den Ball ...«
»Du hast unerlaubt ein fremdes Grundstück betreten. Was glaubst du wohl, wozu ich die Kameras hier habe installieren lassen? Und nachts laufen scharfe Hunde rum. Wie heißt du? Und Schwindel mich nicht an, das merke ich sofort.«
»Laura Adrian.«
»Tatsache? Na, das nenne ich eine Überraschung.« Der Mundwinkel des Mannes zuckte amüsiert. Er wandte sich zum Gehen. »Komm mit.«
Laura schlich ihm mit hängendem Kopf nach. Den Ball ließ sie liegen.
Und dann brachte der Mann sie höchstpersönlich nach Hause und übergab sie den Eltern, die sich höflich bei ihm bedankten für sein rücksichtsvolles Verhalten und gemeinsam mit ihm laut über »den kleinen Scherz« lachten.
Das Donnerwetter folgte, sobald die Tür ins Schloss gefallen war. Laura wurde ins Wohnzimmer zitiert und auf den Stuhl des Angeklagten gesetzt, und ihre Eltern bauten sich vor ihr auf zu einem ihrer seltenen Momente, wo sie sich ganz einig waren.
Sie verstand nicht alles, was ihr an den Kopf geworfen wurde, es ging so schnell und stakkatoartig.
»Wie konntest du das nur tun? Was ist da in dich gefahren? Für Mutproben bist du viel zu alt! Wir haben mehr Verstand bei dir erwartet! Und dann auch noch bei meinem schärfsten Konkurrenten! Er wird die Geschichte überall verbreiten und mich zum Gespött machen! Weißt du, was du mir angetan hast? Tust du denn einfach nur, was du willst? Nimmst du nie Rücksicht auf uns, denkst du immer nur an dich?«
Den Schlusssatz konnte sie inzwischen auswendig herbeten. Er änderte sich nie.
»Ich bin sehr enttäuscht von dir, Tochter.«
Und die Mutter setzte diesmal noch einen drauf: »Selbst die geringsten Erwartungen an dich sind noch zu hochgeschraubt.«
Sie bekam Hausarrest und Strafarbeiten aufgedonnert. Sie weinte nicht einmal, denn sie war schließlich selbst schuld gewesen, da mitzumachen. Und das nur, um auf diese Weise gegen den Willen der Mutter zu rebellieren. Na, das war ihr ausgezeichnet gelungen. Sie hatte den größten Krach aller Zeiten provoziert.
Dabei war der Mann, dieser Rivale von Vater, recht nett zu ihr gewesen. Und er hatte sich sogar dafür entschuldigt, dass er sie nicht einfach laufen ließ. »Ich benutze dich jetzt, und das ist ziemlich gemein von mir. Aber diese Chance muss ich einfach nutzen. Auf deine Kosten. So ist aber das Geschäftsleben, Laura. Besser, du lernst es jetzt.«
Laura hatte ihn gar nicht erst angebettelt, sie laufen zu lassen, so viel Glück hätte sie nie gehabt. Sie war ihm deswegen nicht böse, denn ihr Vater benutzte sie ja ebenso gern seinen Geschäftsfreunden gegenüber. Als sie ausstiegen, sagte er zu ihr: »Vielleicht kann ich es eines Tages wiedergutmachen. Wenn du magst, kannst du in ein paar Jahren gern wegen eines Jobs bei mir vorsprechen.«
Das hatte sie nicht getan, sich aber dennoch bei ihm gemeldet, als sie einen Praktikumsplatz brauchte. »Du kannst bei mir arbeiten«, schlug er vor.
Darauf hatte sie geantwortet: »Vielen Dank, aber das ist zu nah an meinem Vater dran. Ich will mit seinen Geschäften in keiner Weise was zu tun haben. Aber für ein Empfehlungsschreiben für die Firma, zu der ich gern möchte, wäre ich dankbar. Ich weiß, dass Sie dahin gute Beziehungen haben.«
Ihr war deshalb daran gelegen, weil diese Firma ihre Praktikanten tatsächlich bezahlte - und gut dazu. Das sollte der Grundstock für ihre Freiheit werden.
Sie erhielt das Empfehlungsschreiben, verbunden mit dem Angebot, jederzeit kommen zu können, aber Laura wusste, dass sie das nie in Anspruch nehmen würde. Ein Geldgeier zu werden wie ihr Vater - niemals. Sie würde Geisteswissenschaften studieren und im künstlerischen Bereich tätig werden. So weit weg wie möglich von all den Börsenplätzen.
Von da aus war es nicht mehr weit bis zu ihrem Auszug.
In die Clique war Laura nie eingetreten. Die anderen hatten am nächsten Tag wissen wollen, wie es gelaufen war, und sie hatte sie keines Blickes mehr gewürdigt. Sollten sie sich doch ihren Teil denken.
Von da an war Laura zwiegespalten.
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