Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
wollte er sagen: »Siehst du?«, aber Miranda ignorierte ihn. Stattdessen sah sie auf ihre Hände hinunter. Sie wirkten mit dem einen, schmalen Ring an ihrem kleinen Finger so nackt und zerbrechlich. Sie blinzelte heftig und riss den Kopf hoch. »Ich könnte ihn als Diener annehmen.«
Eli hörte auf zu fuchteln und starrte sie ausdruckslos an.
»Er könnte bei mir leben«, sagte sie und deutete auf den kleinen Ring. »Dann hätte er ein Zuhause, ohne dass irgendjemand vertrieben werden müsste.«
Elis Augen glitten skeptisch zwischen dem Ring und ihrem Gesicht hin und her. »Das ist eine interessante Idee, aber da drin kannst du ihn nicht aufbewahren, weißt du?«
Sie sah überrascht auf den Ring. »Was? Oh nein, nicht in dem. Ich meine, er ist leer, aber es würde ja nicht mal ein Splitter seines Geistes hineinpassen. Außerdem ist das mein Reservering.« Sie atmete tief durch. »Vergiss den Ring. Ich rede gar nicht über den Ring.« Sie deutete auf ihre Brust. »Ich könnte das tun, was du mit dem Lavageist getan hast.«
»Bei Karon war das etwas vollkommen anderes«, sagte Eli und sah zu dem schwebenden Wasserball auf. »Außerdem war er viel kleiner.«
»Ich sage ja nicht, dass es die besten Lebensbedingungen wären«, schnaubte Miranda, »aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es besser ist als die anderen Alternativen.«
Eli rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich kann dich nicht anlügen«, meinte er schließlich. »Es ist eine unglaublich dumme, gewagte Idee, die du wahrscheinlich bereuen wirst. Trotzdem fällt mir kein Grund ein, warum es nicht funktionieren sollte. Natürlich liegt die eigentliche Entscheidung nicht bei uns.«
Sie drehten sich gleichzeitig zu dem Geist um. Kleine Blasen bildeten sich und zerplatzten, während er die Idee erwog. »In den Diensten eines Magiers«, rauschte er nachdenklich. »Du wirst mir vergeben, wenn die Idee, mich wieder in die Hände eines Menschen zu begeben, mich ein wenig skeptisch stimmt.«
»Nun«, sagte Eli und schlug Miranda hart auf die Schulter, »ich kann nicht für ihren Charakter bürgen, aber ich würde darauf wetten, dass es besser ist als sterben.«
»Das ist wahr, Magier«, rumpelte der Geist. »Ich denke, mir bleibt keine andere Wahl.«
»Es muss freiwillig geschehen«, sagte Miranda, ignorierte ihre schmerzenden Muskeln und richtete sich zu voller Größe auf. »Ich kann nur Diener annehmen, die mir freiwillig folgen. Aber ich verspreche dir, dass es völlig anders wäre als die Versklavung von Gregorn. Als mein Diener müsstest du meinen Befehlen folgen, aber im Austausch für deine Dienste leiste ich den Eid der Spiritisten: dass ich dich nie gegen deinen Willen zu etwas zwingen oder dich aufhalten werde, falls du mich verlassen willst. Ich werde dich niemals, aus welchem Grund auch immer, verstoßen, und solange ich atme, werde ich mein Bestes tun, um Unheil von dir fernzuhalten. Ich biete dir Macht für Dienste, Stärke für Gehorsam, und meinen eigenen Körper als deine Küste, aber das ist alles, was ich geben kann.« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und starrte zu dem wirbelnden Wasser auf. »Ist das genug, Mellinor?«
Das Wasser drehte sich langsam, und sein Licht flackerte, während der Geist nachdachte. »Es ist genug, Spiritistin«, sagte er schließlich. »Ich akzeptiere dein Ehrenwort.«
Der große Wasserball fiel platschend zu Boden. Mellinor rollte vorwärts und bildete wieder eine Welle, aber dieses Mal war die Flüssigkeit, die Miranda umfing, warm und sanft. Sie floss ihren Körper hinauf, glitt über ihre Schultern und hielt für einen Moment vor ihren Augen inne, als wolle der Geist ein letztes Mal abwägen, was er dort sah. Sie musste den Test bestanden haben, denn das Wasser bewegte sich zustimmend und glitt in einer geschmeidigen Bewegung in ihren Mund.
Miranda verspannte sich, als der Geist ihre Kehle hinunterglitt. Von dem Moment an, in dem sie beschlossen hatte, ihren Körper als Gefäß anzubieten, hatte sie versucht, sich auf das Gefühl vorzubereiten. Aber es war so vollkommen anders als alles, was sie je erlebt hatte, dass ihre Versuche ihr jetzt, wo sie mit der Realität konfrontiert war, nur noch lächerlich erschienen. Es war nicht wie bei ihren anderen Geistern. Bei ihnen hatte es sich angefühlt, als gewinne sie ein neues Glied oder einen Vertrauten. Das hier war, als bekäme sie eine neue Seele.
Mellinors Macht durchfloss ihren Körper, das Meer ergoss sich in sie, füllte jede versteckte Nische, jede
Weitere Kostenlose Bücher