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Meister der Stimmen: Roman (German Edition)

Meister der Stimmen: Roman (German Edition)

Titel: Meister der Stimmen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Aaron
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Straßen vom Burghügel herab. Nach dem Vorbild des Königs hatten auch die Bürger sich vertikal angeordnet – oben begann es mit eindrucksvollen Steinhäusern, die sich direkt an die Außenmauern der Burg anschlossen, weiter unten, in den Randbezirken von Allaze, waren es flache Fachwerkhäuser, während sich die weiße Mauer in einem fast perfekten Kreis um die Stadt zog. Fast perfekt, bis auf einen kleinen Makel.
    Ein Teil des westlichen Stadtrandes hatte in einem Anfall architektonischer Rebellion eine kleine Ausbuchtung gebildet und wich von der Kreisform ab. Es war, als hätten die Steine in diesem Teil der Mauer versucht, einen Ausfall in Richtung Fluss zu wagen, nur um auf der Hälfte zu versagen und sich nach einem halben Kilometer in beleidigter Resignation wieder dem Rest der Stadtmauer anzuschließen. Falls diese Unregelmäßigkeit einen Sinn gehabt hatte, war dieser schon lange vergessen, und die Ausbuchtung beherbergte nun eine Ansammlung baufälliger Gebäude. Sie standen auf ehemaligem Sumpfland und dienten jetzt einigen der am wenigsten ehrbaren Geschäften von Mellinor als Heimstatt.
    Gin kam vor einer dieser Einrichtungen zum Stehen, einem schäbigen Haus, auf das man im ersten Stock mit ungleichmäßigen Druckbuchstaben die Worte FROHBERG-TAVERNE gepinselt hatte.
    »Das sieht aus, als wären wir hier richtig«, sagte Miranda und rutschte von Gins Rücken. Marion folgte ihr ängstlich und verzog das Gesicht, als sie mit ihren hübschen Schuhen platschend auf die schlammige Straße trat. Die Holzgebäude in diesem Teil der Stadt neigten sich in alle Richtungen und lehnten sich aneinander wie Betrunkene, so dass schwer auszumachen war, wo das eine endete und das andere begann. In den schmalen Straßen hing der Geruch von stehendem Wasser und ungewaschenen Körpern, aber zu sehen war niemand. Jedes Fenster war leer und dunkel. Sie sprachen so deutlich von Trübsinn und Verfall, dass sogar die Mittagssonne weniger hell wirkte. Miranda sah sich auf den leeren Straßen um, und ihre Miene wirkte dabei wie die des Rektor Spiritualis bei einem Ratstreffen – eine ausgewogene Mischung aus beiläufiger Überlegenheit und meisterlichem Desinteresse an den Meinungen anderer. Wenn ihre Kindheit in der riesigen Stadt Zarin sie irgendetwas gelehrt hatte, dann, dass sich gerade in leeren Straßen die meisten neugierigen Ohren versteckten.
    »Gin«, sagte sie laut, »wenn dir jemand Probleme macht, bitte nicht erst um Erlaubnis, sondern friss ihn einfach.«
    Gin antwortete, indem er sich träge streckte und gähnte, um dabei ein Maul voller gelblicher, glitzernder Zähne zu zeigen, während seine Ohren sich rastlos bewegten, um jedes Geräusch aufzufangen.
    Nach dieser kleinen Vorstellung war Miranda davon überzeugt, dass niemand sie belästigen würde, und stieg die wackeligen Stufen zum Frohberg hinauf, um die schlammige Decke zur Seite zu schieben, die als Tür diente. Der Barraum war schmal, dunkel und stank nach Fluss. Außerdem war er genauso leer wie die Straße draußen, auch wenn die umgeworfenen Humpen auf den schiefen Tischen darauf hinwiesen, dass dies vor ein paar Minuten noch anders gewesen war. Große, dreckige Fässer füllten den größten Teil des Raumes, und aus ihren Zapfhähnen tropfte etwas, das nach schimmelndem Brot und Essig roch. Die wenigen Fenster waren mit Anzeigen und Notizen überklebt, darunter ein großes, poröses Poster von zwei Mädchen, die so wenig anhatten, dass Miranda errötete. Sie wandte den Blick ab, entschied sich für einen verhältnismäßig sauberen Tisch in der Mitte des Raumes und setzte sich so, dass sie den Eingang im Blick behalten konnte. Marion, die leichenblass und sehr unsicher auf den Beinen war, setzte sich neben sie.
    Die Bibliothekarin beäugte die leeren Tische und den Dreck, der überall auf den verzogenen Bodendielen verteilt lag. »Ich glaube nicht, dass Euer Experte hier ist«, flüsterte sie.
    »Er wird kommen«, sagte Miranda und stellte ihre Tasche auf den Stuhl neben sich. »Der Geisterhof bezahlt seine Informanten sehr gut, und Kopfgeldjäger blühen in Müllhalden wie dieser förmlich auf.«
    »Solch lobende Worte«, erklang eine tiefe Stimme hinter ihnen. »Da erröte ich ja gleich, kleine Magierin.«
    Marion fiel mit einem Aufschrei von ihrem Stuhl, aber Miranda rührte sich nicht.
    »Welch glückliches Treffen, Herr Coriano«, sagte sie ruhig. »Ihr scheint Eurem Ruf gerecht zu werden.« Ohne sich umzudrehen, zeigte sie auf einen Stuhl

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