Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
kleiner Plausch damit beendet ist, sollten wir besser losziehen. Die Lichtung, auf der wir fast umgebracht worden wären, ist – noch dazu im Dunkeln – wohl kaum der richtige Ort für strategische Besprechungen. Außerdem«, er schlug sich auf den Nacken, »fressen mich gerade die Mücken bei lebendigem Leib.«
Jetzt, wo er es erwähnte, konnte auch Miranda sie spüren. »Geht voran«, murmelte sie und schlug einen der Plagegeister von ihrer Hand.
Als sie wieder aufsah, stiefelte der Schwertkämpfer bereits durch die Bäume davon. Das Dämonenbrut-Mädchen folgte ihm leise wie ein Schatten. Eli schlenderte mit den Händen in den Taschen hinter ihnen her und pfiff dabei falsch vor sich hin.
Miranda wechselte einen Blick mit dem König. Schließlich nickte er resigniert, und sie stupste Gin mit dem Fuß an. Der Geisterhund erhob sich lautlos. Absolut geräuschlos glitt er durch die Bäume und hielt mühelos mit den anderen Schritt. Doch er achtete sorgfältig darauf, möglichst großen Abstand zu dem Mädchen zu halten. Hoch über ihnen stieg langsam der Mond in den dunklen Himmel und erhellte mit seinem klaren, weißen Licht den gewundenen Pfad durch die steinigen Hügel und tiefen Senken des Wildparks.
Kapitel 15
H ier habt ihr euch versteckt?« Miranda war entsetzt, als sie von Gins Rücken glitt. Selbst im Mondlicht, das durch die Bäume fiel, konnte man die schiefen Wände und das kaputte Dach der heruntergekommenen Hütte erkennen. »Hier drin kann man ja kaum eine Nacht verbringen.«
»Es ist ein bisschen abgewohnt, aber«, Eli lehnte sich vor und deutete durch eine Lücke zwischen den umstehenden Bäumen, »die Lage kann man einfach nicht toppen.«
Als ihr Blick seinem Finger folgte, konnte sie kaum einen Kilometer entfernt die weißen Stadtmauern ausmachen.
»Ich kann es nicht glauben«, meinte Miranda.
»Erste Regel der Diebeskunst«, erklärte Eli mit einem Grinsen, »lauf nur weg, wenn du nicht vorhast zurückzukommen.« Er bohrte seine Ferse in den Boden. »Der letzte Ort, an dem jemand sucht, ist direkt vor seiner Nase.«
»Die ganze Zeit hast du dich im Hirschgarten des Königs versteckt?« Sie lachte fast. »Du nimmst mich auf den Arm. Ich habe Eril hier schon vor Tagen suchen lassen.«
»Geister sehen auch nicht alles«, meinte Eli. »Außerdem hatte ich eine herausragende Tarnung.« Er legte den Kopf in den Nacken. »Meine Damen?«
Das angenehme Schnurren seiner Geisterstimme hallte in Miranda wider. Hoch über ihnen antwortete ein Chor aus Seufzern: »Eli!«
Miranda trat einen Schritt zurück, als die jungen Laubbäume hinter der Hütte, die das Sonnenlicht auf der kleinen Lichtung ausnutzten, sich schüttelten und bewegten. Sie beugten sich kichernd vor und umfingen Eli mit einem Nest aus Ästen. Er flüsterte ihnen etwas zu, woraufhin sie noch lauter kicherten und sich locker über die Löcher im Dach schoben. Sie bewegten sich eifrig und plusterten ihre breiten Blätter auf, so dass gleichzeitig auch eine Art Netz entstand, das eventuellen Rauch verwirbelte. Als sie schließlich wieder erstarrten, riss Miranda die Augen auf. Die jungen Bäume verdeckten die Hütte vollkommen. Und hätte sie nicht selbst gesehen, wie sie sich bewegt hatten, hätte sie geschworen, dass der Schuppen nichts war als ein steinerner Vorsprung und dass die Bäume schon immer so gestanden hatten.
»Willkommen«, sagte Eli, glitt mit geübter Leichtigkeit zwischen den Zweigen hindurch und öffnete die klapprige Holztür. Josef folgte ihm. Er hatte eine Hand an seine verletzte Brust gepresst und brummelte die ganze Zeit vor sich hin. Nico trat als Letzte in die Hütte, wobei sie ihren Mantel eng um sich zog und sich den Hut tief in die Augen drückte, bevor sie zwischen die Zweige glitt.
Erst als sie alle drinnen waren und sie in der Hütte die ersten Funken eines Feuers aufflammen sah, fing Miranda an, ihre Tasche von Gins Rücken zu lösen.
König Henrith war gerade erst abgestiegen. Er sah die Hütte mit ziemlicher Panik in den Augen an. »Was soll ich tun?«
»Für den Moment, einfach reingehen«, meinte Miranda, die gerade mit den Lederriemen kämpfte. »Wir haben eine Abmachung, und ich glaube nicht, dass er uns betrügen wird. Schließlich kannst du ihm keinen Gewinn mehr bringen.«
Der König verzog das Gesicht. »Und das soll mich beruhigen?«
»Bei einem Dieb wie ihm ist das wohl das Beruhigendste, was du je hören wirst. Geh rein, ich komme sofort nach.«
Der König blieb noch einen Moment
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