Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
geschah gar nichts. Minuten vergingen, und die Köchin kramte weiter nur einen Schritt entfernt von ihnen in den Kartoffeln und sang dabei falsch vor sich hin. Schließlich, als sie genügend Knollen hatte, stieg sie immer noch singend wieder die Treppe hinauf. Ihre geschwollenen Knöchel schwankten unsicher, während sie ihre Last im Takt ihres Liedes von links nach rechts schwang. Da erst verstand Miranda, dass die Köchin vollkommen betrunken war.
»Die Mächte sollen den Kochwein segnen«, sagte Eli, als die Köchin die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Lasst uns gehen.«
Nach fast einer Stunde in dem scheinbar endlosen Labyrinth von Türen veränderten sich die Keller zum Besseren. Der gestampfte Erdboden wurde von Fliesen ersetzt, und jetzt gab es auch Weinregale und Brandyfässer neben den Kartoffeln und Rüben.
»Wir nähern uns dem Ziel«, flüsterte Eli und schloss die Blende an seiner kleinen Laterne, bis sie nur noch einen winzigen Streifen Licht aussandte.
Während sie von Keller zu Keller schlichen, fragte sich Miranda allmählich, wie sie die Burgtür erkennen sollten, wenn sie sie sahen. Jeder Keller, den sie jetzt betraten, schien zwei oder mehr verschlossene Türen zu haben. Es hätte sie nicht überrascht, wenn die Adeligen ihr eigenes Netzwerk aus geheimen Tunneln gehabt hätten, die sich von Haus zu Haus zogen, um heimliche Liebschaften und andere geheime Aktivitäten zu ermöglichen, denen sich die Reichen eben so hingaben. Jeder Keller führte in einen fast identischen, und sie überlegte ängstlich, ob sie sich in einem unterirdischen Labyrinth aus Fluren verloren hatten und hier in alle Ewigkeit im Kreis herumirren würden. Dann allerdings öffnete Eli eine dreifach verschlossene Tür, und Miranda ging auf, dass sie sich keine Sorgen hätte machen müssen.
Auf der anderen Seite des nächsten Kellers befand sich eine schwere eiserne Tür. Sie hatte dieselbe Höhe wie die anderen Kellertüren, aber die Steinwand, in der sie eingelassen war, wirkte älter und stabiler als alles, was sie bisher passiert hatten. In der Mitte der Tür war das Siegel des Hauses Allaze so tief in das Metall gepresst worden, dass Miranda ihre Finger bis zum ersten Knöchel darin versenken konnte.
Josef schnaubte. »Ich dachte, das soll ein geheimer Eingang sein.«
»Für Außenseiter geheim, ja«, sagte Eli. »Aber man will ja nicht, dass eine Magd oder ein Botenjunge sie aus Versehen öffnet.«
»Auf keinen Fall.« Miranda schüttelte den Kopf. »Und wie kriegen wir sie auf?«
»Überlass das mir«, verkündete Eli. Er griff in die kleine Ledertasche, die er unter seiner Kammerdieneruniform trug, und zog zwei kleine Glasflaschen heraus, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt waren. »Zwei schwache Säuren«, erklärte er und hielt die Flaschen hoch, »die man in der Metallverarbeitung benutzt, um Muster zu ätzen. Normalerweise würde jede von ihnen einen Monat brauchen, um sich durch so viel Metall zu fressen. Aber zufällig hassen sich diese beiden speziellen Säureflaschen.«
»Hassen sich?« Miranda runzelte die Stirn. »Wie ist das denn passiert?«
Eli drehte die Flaschen unschuldig in den Händen. »Es könnte sein, dass ich ein bisschen viel getratscht habe. Weißt du, Säuregeister, auch wenn sie flüchtig und gefährlich sind, sind nicht besonders klug. Aber sie sind ziemlich aufbrausend.« Während er sprach, geriet die Flüssigkeit in den Flaschen in Bewegung. Am Anfang dachte Miranda, es käme davon, dass Eli die Flaschen geschwenkt hatte, aber als er seinen Satz zu Ende geführt hatte, brodelten die Säuren fast in ihren gläsernen Gefängnissen.
»Also«, sagte Eli und schüttelte die Flaschen heftig, »müssen wir sie nur richtig wütend machen, und …« Er warf beide Flaschen auf die Tür, wo sie nacheinander an exakt derselben Stelle aufkamen. Das Glas zersprang, und die Säuren fielen mit einem Aufschrei übereinander her, wobei sie sich durch die Eisentür brannten wie kochendes Wasser durch frisch gefallenen Schnee.
»Ein schöner Streit tut ihnen gut!«, schrie Eli über den Lärm des Säurekrieges hinweg.
»Das ist furchtbar!«, schrie Miranda zurück. »Die Gefühle eines Geistes so zu missbrauchen ist schrecklich!«
»Überhaupt nicht.« Eli wirkte verletzt. »Ich behandle sie wie denkende Wesen, was mehr ist, als ich von dem Schmied behaupten kann, dem ich sie abgekauft habe. Schau, es weckt sogar die Tür auf.«
Der Kampf der Säuren hatte tatsächlich die Aufmerksamkeit
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